© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/02 10. Mai 2002

 
Schill im Norden bald flächendeckend
Partei Rechtstaatlicher Offensive: Nach Mecklenburg-Vorpommern formieren sich auch in anderen Bundesländern Landesverbände
Peter Freitag

Für den kommenden Samstag hat die Schill-Partei zu ihrem ersten Parteitag seit ihrer bundesweiten Ausdehnung in die Hamburger Messehallen eingeladen. Jedes Parteimitglied wird dabei stimmberechtigt sein, da es kein Delegiertensystem gibt, zur Beschlußfähigkeit bedarf es eines Quorums von 25 Prozent der Mitglieder. Bis zum Ende der Frist Anfang dieser Woche lagen dem Bundesvorstand 88 Anträge zur Satzung und zum Parteiprogramm vor, erklärte die Pressesprecherin der Schill-Partei, Karina Weber, der JUNGEN FREIHEIT.

Unterhalb der Bundesebene existieren neben Hamburg als Landesverbände bisher nur Sachsen-Anhalt und seit letzter Woche auch Mecklenburg-Vorpommern. Dort wurde am vergangenen Wochenende der 47jährige Rostocker Arzt Helmut Schmidt zum Landesvorsitzenden, sein bisheriger Partner als Landesbeauftragter, Gerd Stachow, als Stellvertreter gewählt. Außerdem verabschiedete der dortige Landesparteitag sein Partei- sowie das Wahlprogramm für die Landtagswahl am 22. September. Der Präsident der Kassenärztlichen Vereinigung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Eckert, wurde mit rund 95 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten gewählt. Der Landesparteitag schloß sich im übrigen dem Votum des Bundesvorsitzenden Schill an, nicht zur Bundestagswahl anzutreten.

Ein weiterer Landesverband der Schill-Partei soll sich innerhalb der nächsten zwei Monate in Schleswig-Holstein konstituieren, so Landesbeauftragter Dieter Schreck zur JF. Dort ist mit 463 Mitgliedern die benötigte Anzahl von 500 fast erreicht. Am vergangenen Samstag konnte in Kiel der erste Schill-Ortsverband aus der Taufe gehoben werden, folgen sollen Geesthacht, Pinneberg, Norderstedt, Lauenburg, Neumünster, Lübeck und Heide. Wie andere führende Schill-Mitglieder außerhalb Hamburgs betonte auch Schreck, daß die Umstellung der Parteisatzung für die Bedürfnisse der Flächenstaaten auf dem Bundesparteitag dringend erforderlich sei. Basis jeder Neugründung ist bisher ein Ortsverband mit mindestens 30 Mitgliedern, was in dünnbesiedelten Gebieten eine zu hohe Schwelle sei. Günstiger wäre hier als kleinste Einheit bereits der Kreisverband.

So existieren beispielsweise in Nordrhein-Westfalen momentan noch Ortsverbände, die de facto allerdings Kreisverbänden entsprechen. Dort haben sich auch schon zwei Bezirksverbände auf Ebene der Regierungsbezirke Düsseldorf und Arnsberg gebildet. Am 25. Mai sollen die Bezirksverbände Köln, Münster und Detmold hinzukommen, für den 2. Juni ist der Landesparteitag in NRW geplant, an dem sich die annähernd tausend Schill-Mitglieder zu einem Landesverband zusammenschließen wollen. Dieter Mückenberger, der von Düsseldorf aus den Aufbau des Verbandes leitet, antwortete gegenüber der JUNGEN FREIHEIT auf die Frage, ob er eine führende Position im zukünftigen Vorstand übernehmen wolle, er habe sich darüber noch keine Gedanken gemacht. Mückenberger war zuvor bereits stellvetretender Vorsitzender der Mittelstandspartei (DMP), die sich mit Wirkung vom 15. März dieses Jahres für aufgelöst erklärte. Ein Mandatsträger der Mittelstandspartei im Stadtrat von Ratingen ist ebenfalls zur Schill-Partei gewechselt.

In Niedersachsen verfügt die Schill-Partei bereits über etwa 800 Mitglieder, die am 8. Juni auf einem Parteitag einen Landesverband bilden wollen. Bisher existieren Ortsverbände in Oldenburg, Hannover und Garbsen, die Gründung eines weiteren in Hildesheim steht unmittelbar bevor. Auch der niedersächsische Koordinator Hans-Joachim Selenz aus Peine betonte gegenüber der JF die Notwendigkeit, die Parteisatzung an die Bedürfnisse der Flächenländer anzupassen. So ist auch in Sachsen davon abgesehen worden, vor dem Parteitag einen weiteren Ortsverband in Chemnitz (neben Leipzig und Dresden) zu gründen, da nach einer Satzungsänderung wahrscheinlich die Hürde zur Bildung eines Landesverbandes niedriger sein wird. Im südöstlichen Bundesland gibt es nach Angaben von Karina Weber, die von Hamburg aus den Aufbau koordiniert, etwa 380 Mitglieder.

In Hessen haben dagegen erst ungefähr 200 Personen das Mitgliedsbuch der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, so Pressesprecher Frank Bücken zur JF. Problematischer als anderswo sei hier das "geringer ausgeprägte Feindbild", da Ministerpräsident Koch eine größere inhaltliche Nähe zur Schill-Partei habe, so Bücken. Bisher hat sich ein Ortsverband in Frankfurt gegründet, weitere sollen in nächster Zeit folgen (Wiesbaden und Hochtaunus). Auf die Frage, ob die hessischen Mitglieder für oder gegen die Teilnahme an der Bundestagswahl seien, meinte Bücken: "Vom Herzen her wollen wir alle, aber der Verstand sagt: es würde schwierig werden!" Tatsächlich seien die personellen und finanziellen Ressourcen dafür noch nicht überall ausreichend vorhanden.

Befremdlich dagegen wirkt in Hessen die etwas unklare Kompetenzverteilung innerhalb der Schill-Partei. Von Hamburg aus ist noch Peter Lorkowski als Koordinator tätig, der hessische Beauftragte Haberkorn weilt zur Zeit im Ausland. Norbert Steinbach, der auf der Internetseite als für den Regierungsbezirk Kassel zuständig ausgewiesen wird, ist nach Angabe von Pressesprecher Bücken von dieser Aufgabe entbunden. Steinbach selbst äußerte, er habe nur ein "Redeverbot" erhalten.

Fototext: Landesvorsitzender Helmut Schmidt mit Ronald Schill: Nächste Nagelprobe Mecklenburg-Vorpommern


 
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