© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/02 10. Mai 2002

 
Sache der Auslegung
Polizeiliche Kriminalstatistik 2001: Schily stellt Rückgang fest
Roland Gläser

Die Gesamtzahl der registrierten Straftaten in Deutschland ist 2001 um 1,6 Prozent angestiegen. Dennoch gab sich Innenminister Otto Schily optimistisch, als er vergangene Woche die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) vorlegte. Die Studie belege, daß die Bevölkerung sich zu Recht sicherer fühlen könne, so der Minister weiter. Als Pluspunkt führte Schily die gestiegene Aufklärungsquote an, die mit 53 Prozent relativ hoch sei. Darüber hinaus wäre ein Rückgang der Schwerkriminalität wie Mord und Totschlag zu verzeichnen. Deutschland gehöre deshalb zu "den sichersten Ländern der Welt."

In der Tat seien schwere Straftaten wie Mord und Totschlag um 4,7 Prozent im Vorjahresvergleich gesunken. Der Abwärtstrend von Taten wie Kfz-Diebstahl (-9%) und Wohnungseinbruch (-4,5%) setze sich ebenso weiter fort. Fast um frei Prozent sei dagegen die gefährliche und schwere Körperverletzung angestiegen. Die insgesamt geringfügig steigende Drogenkriminalität basiere vor allem auf dem bedrohlichen Anstieg von Ecstasy-Konsum. Kokain und Heroin seien leicht rückläufig.

Die Wirtschaftskriminalität sei um 16 Prozent gestiegen. Dieser Straftatbestand unterliege jedoch erheblichen Schwankungen. Im Vorjahr war er um 23 Prozent gesunken. Zu den Ursachen zählt ein Anlagebetrug in Hamburg mit Tausenden von Einzelfällen. Schily begründete den Kriminalitätsanstieg mit zunehmender Anzeigenbereitschaft. Die gegensätzliche Einschätzung der Polizeigewerkschaft ließ aber nicht lange auf sich warten. Der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg unterstrich, daß die statistische Gefahr, Opfer einer Gewalttat zu werden, um 1,4 Prozent gestiegen sei.

Bei der Betrachtung der steigenden Jugendkriminalität führte Schily den Anstieg der Kriminalität besonders auf deutsche Kinder und Jugendliche zurück. Der Minister argumentierte, die Zahl von Tatverdächtigen nichtdeutscher Herkunft sei enorm gesunken. 2001 wurden in den alten Ländern 4,6 Prozent mehr tatverdächtige deutsche Jugendliche ermittelt als 2000. Trotzdem sei der Anteil der nichtdeutschen tatverdächtigen Jugendlichen nach wie vor signifikant: 36 Prozent aller Raubüberfälle und 23 Prozent aller Körperverletzungen gingen auf ihr Konto. Bei von Kindern begangenen Raubüberfällen seien es sogar 41 Prozent.

Der Innenminister stellte fest, daß der Ausländeranteil der vermeintlichen Straftäter von 25,8 auf 24,9 Prozent gesunken sei. Darunter befänden sich auch 21 Prozent illegal hier lebende Ausländer. Dem halten Kritiker entgegen, Ausländer würden zwangsläufig durch bestimmte Delikte wie Asylbetrug stärker in der Statistik berücksichtigt werden. Wird die Statistik um diese Delikte reduziert, so betrage die Ausländerkriminalität nur noch 19,3 Prozent. Der folgende Satz führt diese Annahme allerdings ad absurdum. Dort heißt es, in dieser Zahl fehlten diejenigen Ausländer, die zusätzlich weitere Verbrechen wie Rauschgifthandel oder Mord begangen hätten, "deren Anteil aber nicht bekannt ist." Ehrlicher wäre die Aussage: "deren Anteil wir lieber nicht wissen wollen."


 
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