© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/02 10. Mai 2002

 
Vom Handwerker zum Seelenhirten
Katholische Kirche: Mit Schnupper-Wochenenden sollen Spätberufene zum Priestertum begeistert werden
Alexander Barti

Der Kulturkampf zwischen Katholizismus und Preußentum wurde mit einem Konkordat beigelegt; es sah unter anderem vor, daß die Priesterausbildung an die Universitäten geholt wird, so daß der Staat ein Auge auf die Seelsorger werfen konnte. Ein Nachteil dieser Regelung war, daß der Kirche die Reglementierung ihres Nachwuches entzogen war: Wer das Abitur nicht bestand, konnte kein Theologe werden. Dafür war das Niveau deutscher Seelsorger spürbar höher als etwa in den romanischen Ländern, die ihren niederen Klerus unverändert in internen Seminaren ausbildeten. Später wurde das Konkordat unter veränderten politischen Verhältnissen 1933 erneuert. Trotzdem war die Kirche immer bemüht, Spätberufene ohne Abitur als Peronal zu gewinnen.

Besonders seit die Priesterberufungen dramatisch einbrechen, versucht man unverbindlich, etwaige Kandidaten zu rekrutieren. Zum Beispiel bietet das Bistum Münster Schnupperkurse übers Wochenende an; wer danach noch immer die Berufung für das Priestertum verspührt, kann mit dem "Ahlener Modell" weitermachen. Das Modell wurde bereits 1974 in der Kirche St. Josef in Ahlen initiiert und hat sich auf Spätberufene spezialisiert. Statt konventionell an die Universität zu gehen, steigen die zukünftigen Seelsorger sofort in die Praxis ein und absolvieren parallel ein theologisches Fernstudium mit staatlich anerkanntem Abschluß. Für die Quereinsteiger ist die zweijährige Vorstufe nach der ersten Kontaktaufnahme eine wichtige Prüfungsphase, in der sie sich immer wieder fragen müssen, ob sie auf dem richtigen Weg sind, was Gott für sie bedeutet, ob sie tatsächlich zölibatär leben können und wollen.

Das "Ahlener Modell" ist nützlich - aber gemessen an den Zahlen wird es den Niedergang der Berufungen nicht kompensieren können, denn in den vergangenen 28 Jahren schafften es ganze 30 Kandidaten bis zur Priesterweihe. Bei so wenig Arbeitern wird der Weinberg weiter verwildern.


 
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