© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   20/02 10. Mai 2002


Neulich im Internet
Gewaltspiele
Erol Stern

Die tragischen Ereignisse am Erfurter Gutenberg-Gymnasium haben in der Öffentlichkeit eine heftige Diskussion um Gewalt in den Medien entbrannt. Die Suche nach den Ursachen und Gründen derartiger Tragödien lenkt immer mehr Blicke auf sogenannte "Ego-Shooter" Ballerspiele, in denen sich der User aus der Ich-Perspektive durch animierte Landschaften oder Gebäude kämpfen muß. Spiele wie "Duke Nukem", "Doom" oder "Halflife" erfreuen sich seit Jahren zunehmender Popularität. Spielen die einen via Internet miteinander, treffen andere sich allerorten bei LAN-Parties ihre vernetzten PCs in geselliger Runde. Werden so überall potentielle Amokläufer gezüchtet, wie mancher der Öffentlichkeit glauben machen will? In den Achtzigern waren Horrorvideos und Kriegsfilme ins Gerede gekommen, in den Neunzigern waren es Reality-TV, Gangster-Rap und erwähnte Ballerspiele. Einerseits stiegen Brutalität und Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen in den letzten Jahren mit zunehmender Perspektivlosigkeit, andererseits ist Gewalt keine zeitgenössische Erscheinung. Es hat sie - ohne verharmlosen zu wollen - schon immer gegeben, genauso wie Menschen, die sich falsche Leitbilder nehmen. Viele intelligente und humanistisch gebildete Menschen nutzen auch dieses Ventil. Ich denke, daß Gewaltdarstellungen in den Medien mögliche, untereinander austauschbare Auslöser für die jüngsten Greueltaten sein dürften, die Ursachen jedoch woanders zu suchen sind, da Anfällige immer fündig werden, sogar in der Bibel. Ein schwacher Trost für die Hinterbliebenen.


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