© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/02 17. Mai 2002


Respektvolle Erinnerung
von Detlef Kühn

Mitte der siebziger Jahre war der DDR der Durchbruch zur internationalen Anerkennung als souveräner Staat gelungen. Die Bundesrepublik hatte mit ihr einen Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen geschlossen. Beide waren in der UNO, die DDR von fast allen Staaten der Welt - mit Ausnahme der Bundesrepublik - völkerrechtlich anerkannt. Wer damals auf die unmenschlichen Folgen von Mauer und Stacheldraht hinwies, geriet in den Ruf eines Störenfrieds.

Michael Gartenschläger stellte dennoch die DDR vor den Augen der Öffentlichkeit bloß. 1976 gelang es ihm zweimal, an der Zonengrenze die besonders gefährlichen Selbstschußgeräte mit Splitterwirkung abzubauen und der internationalen Presse vorzuführen. Das Regime war blamiert. Bei einem dritten Versuch geriet Gartenschläger in einen Hinterhalt und wurde von vier "Kämpfern" der DDR erschossen. Den Schützen konnte im wiedervereinigten Deutschland nicht widerlegt werden, daß sie gegenüber Gartenschläger, der eine Pistole mit sich führte, in Putativnotwehr gehandelt hatten.

Jetzt stehen wegen des gleichen Tötungsdelikts zwei Offiziere der Staatssicherheit vor Gericht, die vom Staatsanwalt als Hintermänner der Tat angesehen werden. Leider ist nicht auszuschließen, daß der Tod Gartenschlägers ungesühnt bleibt. Um so wichtiger ist, wie wir mit seinem Andenken umgehen. Gartenschläger und nicht die, die ihn "liquidiert" haben, hatte die Moral auf seiner Seite. Ihm gebührt unsere respektvolle Erinnerung.


 
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