© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/02 24. Mai 2002

 
Da scheiden sich die Meinungen
Der "Fall-Karsli": Die FDP möchte ihr neues Jamal Mitglied Karsli schnell wieder loswerden / Landeschef Möllemann immer stärker unter Beschuß
Alexander Barti

Nachdem die Kölner PDS in einer Pressemitteilung publik gemacht hatte, daß der Landtagsabgeordnete Jamal Karsli am 3. Mai in der JUNGEN FREIHEIT die Politik Israels scharf kritisierte, schaukelte sich die Stimmung gegen ihn hoch; denn Karsli hatte seine Partei verlassen, um fortan für die FDP zu stimmen, die für ihn eine glaubhaftere Politik vertrat. Trotz aller Kritik wegen seiner umstrittenen Äußerungen wurde Karsli in den FDP-Kreisverband von Recklinghausen aufgenommen. Der mediale "Krieg" im "Fall Karsli" verschärfte sich damit erheblich, obwohl die Parteistrategen geglaubt hatten, nach den besänftigenden Erklärungen auf dem FDP-Parteitag die Wogegen geglättet zu haben.

Aber der Antisemitismus-Vorwurf schwelte, auch in den anderen Landesverbänden der Liberalen und eskalierte erst nach dem Bundesparteitag richtig. Am 16. Mai erklärte zum Beispiel der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion in Wiesbaden, "ein Mensch wie Jamal Karsli, der nicht einmal die Sprache der Versöhnung kennt", habe in der Partei nichts verloren. Außerdem forderte Hahn seinen nordrhein-westfälischen Kollegen Jürgen Möllemann auf, Karsli wegen seiner Äußerungen der letzten Tage unverzüglich aus der Düsseldorfer Landtagsfraktion auszuschließen.

Die Liberalen in Bayern sehen den Fall ähnlich. Ihr Landesvorstand unterstützte ausdrücklich die ablehnende Haltung der Vorsitzenden Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zur Aufnahme Jamal Karslis. Die Äußerungen Karslis in der Öffentlichkeit, "insbesondere in der stark rechtslastigen Zeitschrift JUNGE FREIHEIT" drohten das Verhältnis der FDP zu "deutschen Mitbürgern jüdischen Glaubens in unerträglichem Maße" zu belasten. Daher solle der Landesverband in NRW die Aufnahme Karslis rückgängig machen.

Kritik kam auch aus Baden-Württemberg und erneut aus Hessen: Walter Döring und Ruth Wagner stellten klar, daß "die antisemitischen Äußerungen von Herrn Karsli nicht mit den liberalen Grundwerten und Zielen der FDP vereinbar" seien. Sie würden der gesamten Partei schaden und die Aufbauarbeit der FDP zerstören. Und weiter: "Karsli hat sich zwar für seine Äußerungen in der JUNGEN FREIHEIT entschuldigt, aber das hat er auch schon mehrfach davor getan, als er mit israelfeindlichen Äußerungen an die Öffentlichkeit gegangen ist. Seine Entschuldigungen wurden immer erst auf Druck nachgeschoben und sind deshalb wenig glaubhaft", so Döring und Wagner.

Differenzierter betrachtet der sächsische Landesvorsitzende Holger Zastrow die Kampagne gegen Karsli. Die Aufnahme des Ex-Grünen sei ein nicht nachvollziehbarer "Schnellschuß" gewesen. In der FDP dürfe niemand Platz haben, der die Partei "als Plattform für seine zutiefst persönliche Sicht der Dinge mißbrauchen wolle". Man solle bei polarisierenden Politikern, die zudem von anderen Parteien kommen, sorgfältig prüfen, ob diese auch zur FDP paßten. Es sei kaum zu erwarten, daß sich Karsli innerhalb weniger Tage vom "Grünen Fundi zum glühenden Liberalen" gewandelt hätte. Gleichwohl stellte sich Zastrow hinter die von Möllemann angestoßene Nahost-Diskussion: "Niemand hat das Recht, der FDP die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Regierung Sharon zu verbieten".

In einem Gespräch mit dem ARD-Morgenmagazin am 21. Mai mahnte der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Gerhardt, eine "schnelle Bereinigung" der Differenzen um die Aufnahme Jamal Karslis in die FDP an. Personelle Konsequenzen seien nicht notwendig, aber wichtig sei es, daß "alle Beteiligten miteinander redeten". In der Talkshow "Berlin Mitte" wies FDP-Chef Guido Westerwelle darauf hin, daß sich auf seine Veranlassung der Landesvorstand Nordrhein-Westfalens am 3. Juni über die FDP-Mitgliedschaft des Ex-Grünen beraten werde. Westerwelle bezeichnete die Bemerkungen Karslis zum Nahost-Konflikt als "nicht akzeptabel". Er verwahrte sich jedoch noch einmal gegen den Vorwurf des Antisemitismus.

Im Zuge der sich verschärfenden Gegensätze erklärte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth, sie werde Möllemann wegen "übler Nachrede und Verleumdung" als Volksverhetzer anzeigen; Möllemann hatte dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, vorgeworfen, mit "seiner intoleranten und gehässigen Art" Antisemitismus in Deutschland zu säen. Außenminister Fischer legte in der Kritik noch nach, als er von einer "antisemitischen Jauche" sprach, die gegenwärtig auf die deutschen Juden niederginge.

Unterstützung für seinen Kurs bekam Möllemann von seinem Kollegen Wolfgang Kubicki aus Schleswig-Holstein und dem Thüringer Andreas Kniepert. Kubicki erklärte, Friedman solle "in seinem eigenen Sandkasten spielen". Der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann nannte die Forderung Friedmans, Möllemann solle die FDP verlassen, "völlig überzogen". Friedman stelle sich damit in unzulässiger Weise "über den demokratischen Diskurs". Wenn die Rücktrittsforderung an Möllemann erfolgreich wäre, "würde durch die Hintertür der Straftatbestand der 'Majestätsbeleidigung' wieder eingeführt", so Hohmann. CDU-Generalsekretär Laurenz Mayer hingegen unterstellte den Deutschen eine "latent vorhandene antisemitische Stimmung", mit der Möllemann nicht spielen dürfe.

Die weitere Entwicklung war bis zum Redaktionsschluß unklar. Gerüchte, wonach der Ausschluß Karslis schon beschlossene Sache sei, konnten nicht erhärtet werden; ebenso war nicht ersichtlich, daß Möllemann vor den Angriffen - auch aus den eigenen Reihen - zurückweichen würde.


 
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