© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/02 24. Mai 2002

 
Geschichte in Geschichten
Horst Fuhrmanns Portraitgalerie
Matthias Bäkermann

Niemand unter den lebenden deutschen Historikern versteht es so wie Horst Fuhrmann, Geschichte in Geschichten umzumünzen. Ein solches Talent, so argwöhnen neidische Kollegen, verführe nicht selten zu "popularisierender Honorarschreiberei" (Jacob Burckhardt), die das Bildungsbedürfnis von Zahnärzten, Steuerberatern und Oberstudienrätinnen im Ruhestand befriedigt. Mag sein. Und vielleicht läßt sich in Fuhrmanns erfolgreichstem Werk, der inzwischen in fünfter Auflage vorliegenden "Einladung ins Mittelalter", der eine oder andere "Niveauverlust" diagnostizieren, der beim Ausbruch aus dem fachwissenschaftlichen Elfenbeinturm in Kauf genommen werden mußte. Aber dafür hat der langjährige Präsident der Monumenta Germaniae Historica und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mehr für das historische Bewußtsein seiner Zeitgenossen getan, als jene Scharen von Mediävisten, die ihr Leben der Edition von Papsturkunden weihen.

In Fuhrmanns "persönlicher Portraitgalerie" aus seiner Bildungswelt, läuft der gebürtige Oberschlesier dort zu großer Form auf, wo sich sein Erzähltalent in der "Vermittlung des Atmosphärischen" verdichtet, die eben nicht nur dem darob bewunderten Ideenhistoriker Felix Gilbert trefflich gelungen ist. Vielfach noch aus persönlicher Kenntnis gespeist, glücken Fuhrmann meisterliche Porträts des langjährigen Monumenta-Chefs Paul Fridolin Kehr, des Kieler Lehrers Karl Jordan, des Kollegen Hermann Heimpel oder Percy Ernst Schramms, eines Fachmanns für mittelalterliche Herrschaftszeichen, der seit 1943 das Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht führte. Bei der Lektüre solcher Skizzen wird klar, daß der "Flakhelfer" Fuhrmann die letzte Generation von Historikern repräsentiert, bei denen das Forscherschicksal von Zeitgeschichte geradezu kontaminiert ist. Darum kann er aus dem "Heldenleben" seiner Doktorväter ebenso fesselnd erzählen wie aus Wissenschaftlersagas der Gründer- und Erzväter seines für die nationale Identitätsstiftung seit dem 19. Jahrhundert so wichtig gewordenen Faches.

Horst Fuhrmann: Menschen und Meriten. Eine persönliche Portraitgalerie. C. H. Beck, München 2001, 358 Seiten, 29,80 Euro


 
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