© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/02 07. Juni 2002

 
"Jetzt erst recht!"
Schill-Partei: Interview mit Landeschef Helmut Schmidt
Matthias Bäkermann

Der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern der Schill-Partei wurde wegen eines satzungsrechtlichen Formfehlers aufgelöst. Welche Folgen hat das für die Schill-Partei in Ihrem Bundesland?

Schmidt: Die Folgen sind nur formeller Natur. Das ändert nichts an unserem Willen, zur Landtagswahl anzutreten. Wir treten eben nur mit den Bezirksverbänden an, falls wir es nicht noch rechtzeitig schaffen - technisch gesehen -, einen Landesverband zu gründen. Ich denke jedoch, daß wir diesen Ende Juli unanfechtbar gegründet haben werden.

Hat der Umstand der Auflösung nicht zur Frustration unter den potentiellen Wählern geführt? Man spricht von einem Absturz der Schill-Partei in Umfragen von 17 auf 4 Prozent...

Schmidt: Diese Umfragen waren anderer Natur. 17 Prozent haben überlegt, ob sie uns wählen. Wir standen eigentlich immer bei sieben Prozent. Die Umfrage, die gerade von der CDU beauftragt und publiziert wurde, wähnt uns bei vier Prozent. Ich habe diese Umfrage nicht einsehen können. Daß dennoch eine gewisse Ernüchterung bei einigen eingetreten ist, kann man nach diesen Geschehnissen wohl nachvollziehen.

Spüren Sie auch bei Ihren Parteikollegen, daß die Euphorie gebremst wurde?

Schmidt: Das eigentlich nicht. Wir hatten am Sonntag eine Klausurtagung, auf der sich eindeutige die Haltung des "Jetzt erst recht!" durchgesetzt hat. Wir lassen uns die Partei in Mecklenburg-Vorpommern nicht von destruktiven Kräften kaputtmachen. Es wird nun ein Maßnahmenplan erarbeitet, es werden Direktkandidaten aufgestellt und unsere Liste vervollständigt. Wir werden die nötigen Formalitäten zur Landtagswahl korrekt einhalten.

Sie vermuten hinter den satzungsrechtlichen Anfechtungen destruktive Kräfte. Wer genau meinen Sie?

Schmidt: Das sind Leute, die ihre Erwartungen in der Partei nicht erfüllt gesehen haben, die insbesondere nicht gewählt worden sind. Danach verließen sie frustriert den Landesparteitag und überlegten, wie sie ihn kippen könnten.

Hinsichtlich der Auflösung in der letzten Woche ist der Informationsfluß zwischen der Bundespartei und Ihrem Landesvorstand nicht perfekt gewesen. Wie beurteilen Sie das?

Schmidt: Von meiner Seite gab es eine interne Kritik an Hamburg, dies ist bereits ausgewertet worden. Hamburg steht hinter uns, unterstützt uns weiter und es wird auch einen weiteren Konsens geben. Nächste Woche gibt es noch ein abschließendes Gespräch mit dem Bundesvorstand. Dort werden wir unsere Position noch einmal darlegen und auch die zukünftigen Erwartungen gegenüber dem Bundesvorstand formulieren.

Sie führen die Amtsgeschäfte nun kommissarisch?

Schmidt: Der jetzige Vorstand besteht aus sieben Leuten - fünf offiziell im Vorstand tätigen und zwei Beisitzern -, die einstimmig mit einer Enthaltung von den Vertretern der Ortsverbände, die bei der jüngsten Klausurtagung anwesend waren, bevollmächtigt worden sind, die Geschäfte und die Partei weiter zu führen.

Welche Haltung hatte der bisherige Landesverband zu der immer wiederkehrenden Debatte über ein Antreten der Schill-Partei zur Bundestagswahl?

Schmidt: Der Landesvorstand hat eine pragmatische Entscheidung getroffen: Wenn sich die Mehrheit der Parteimitglieder beim nächsten Bundesparteitag am 22. Juni für den Antritt zur Bundestagswahl entscheidet, kann es für die Landtagswahl nur förderlich sein. Wir haben ja nicht das Problem, daß wir einen extra Wahlkampf zu führen haben.

Wenn der Parteitag erst am 22. Juni beschließen sollte, zur Wahl anzutreten, ist es dann nicht zu spät dafür?

Schmidt: Meine persönliche Meinung ist, daß diese junge Partei einen Bundestagswahlkampf schlecht bestreiten kann. Es ist keine bundesweite Ausdehnung vorhanden. Sie sollte zwar motiviert ins Rennen gehen, aber ob sie mit einer sich in der Ausdehnung befindlichen personellen Struktur einen erfolgreichen Wahlkampf bestreiten kann, gibt Bedenken auf, die wir auch so dem Bundesvorstand mitgeteilt haben. Eine positive Entscheidung des Bundesvorstandes würden wir dann jedoch mittragen.

 

Helmut Schmidt, 47, war bis zur Auflösung Landesvorsitzender der Schill-Partei in Mecklenburg-Vorpommern. Er wurde im mecklenburgischen Teterow geboren und ist Arzt in Rostock.

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