© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/02 07. Juni 2002

 
CD: Axel Sallowsky
Tausendsassa
Thorsten Thaler

Leichtmatrose, Opernsänger, Dramaturg, Regisseur, Fotograf, Theater- und Musikkritiker, Kulturjournalist, Galerist, Komponist, Chansonnier - Axel Michael Sallowsky hat vieles im Leben ausprobiert. Seine jüngste Passion führte den inzwischen 62jährigen Tausendsassa, der in Königsberg geboren wurde und heute in Hamburg lebt, kürzlich wieder einmal nach Berlin, wo er im Gotischen Saal der Zitadelle Spandau sein neues Programm mit Liedern von Sehnsucht, Liebe, Lust und Leid präsentierte. Eine gleichnamige CD ist soeben bei Amsa Records erschienen.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der Akustik in dem mittelalterlichen Gemäuer gelang es Sallowsky mit zunehmender Dauer seines knapp zweistündigen Auftritts mühelos, das Publikum zu begeistern. Sich selbst am Klavier begleitend, gesegnet mit einem markanten Bariton, glänzte er mit mal heiter-humoristischen, mal nachdenklich stimmenden "Chacous", wie er seine Lieder nennt, einer Mischung aus Chanson und Couplet.

In seinen Texten, häufig in Versform, erzählt er von Enttäuschungen, Hoffnungen und Träumen, von Gewalt, Kälte und Einsamkeit, von Lüge und Wahrheit - kurz: den Momenten gelebten Lebens. Dabei läuft Sallowsky gottlob nie Gefahr, auf dem glatten Parkett der Banalität auszurutschen. Für die Bodenhaftung sorgt nicht zuletzt der zeitkritische Tiefgang, der seine Lieder auszeichnet. So heißt es in dem Stück "Es ist vollbracht": "Es steigen die Kleinen hinauf auf den Thron / und es stürzen hinunter die Großen schon // Es weinen die Dichter um ihr letztes Wort / dann verstummen sie und schleichen sich fort // In die Gewänder der Reichen hüllt der Pöbel sich jetzt / und die Bänke in den Parks halten Junkies besetzt // Aus der Dunkelheit kriechen die zivilisierten Barbaren / und aus den Zuchthäusern strömen die Mörder in Scharen // Weit hallt der Schrei der lumpigen Massen, die alles zerstören, weil sie sich selber hassen (...)"

Denkanstöße gibt Sallowsky auch, wenn er sein Leiden an der "totalen medialen Verblödung", wie sie insbesondere vom Fernsehen ausgehe, artikuliert ("Auf der Jagd nach Einschaltquoten") oder wenn er das Verlorensein des Menschen beklagt, weil der sich falschen Göttern verschworen habe ("Auf der Suche nach Werten"). Und aufhorchen läßt er, wenn er in dem kurzen Stück "Wohin?" erst einige Takte der deutschen Nationalhymne spielt, dann abrupt aufhört und spricht: "Du Land der Dichter und der Denker / Was nur ist mit dir geschehn / Dein Gemüt ist krank / Dein Geist noch kränker / Ach Deutschland, wohin nur wirst du gehn / Deutschland, ich habe Angst um dich / Und auch um mich".

Nicht nur in diesen Liedern schwingt bei aller Leichtigkeit auch Wehmut mit, eine Wehmut, die von Menschen Besitz ergreift, die sich das Empfinden für den Verlust von Ursprünglichkeit bewahrt haben. Es ist eine Gefühlsregung, die jener "Übermacht der Erinnerung" entspringt, von der Botho Strauß in seinem "Anschwellenden Bocksgesang" geschrieben hat. So darf man auch Sallowsky getrost zu jenem "Häuflein von inspirierten Nichteinverstandenen" (Strauß) rechnen, die den Irrungen und Wirrungen der Zeit trotzen. Deswegen erschöpfen sich Sallowskys Texte weder in Kulturpessimismus noch in Resignation. Dazu ist der Chansonnier viel zu sehr von einer optimistischen Grundhaltung durchdrungen, einem lebensbejahenden Impetus - und der Hoffnung auf Veränderung. Fazit: Axel Michael Sallowsky empfiehlt sich mit eingängigen Melodien und intelligenten, nonkonformistischen Texten. Herz, was willst du mehr!

 

Axel Michael Sallowsky. Ich sing Euch heute Lieder von Sehnsucht, Liebe, Lust und Leid. Amsa Records, Postfach 65 22 63, 22373 Hamburg, Tel. 040 / 6 00 33 45, E-Post: amsarecords@aol.com 


 
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