© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/02 14. Juni 2002

 
Manfred Plöckinger
Schwarz, Rot, Gold
von Christian Vollradt

Dreimal am Tag wird Manfred Plöckinger "hautnah" an den 17. Juni 1953 erinnert: Jedesmal, wenn er die Nadel der Insulinspritze ansetzen muß, ist das Bild, das - festgehalten auf einem berühmt gewordenen Foto - den damals 21jährigen an jenem Tag hinter schwarz-rot-goldenen Fahnen am Brandenburger Tor zeigt, gegenwärtig. Seit das SED-Regime ihn deswegen eingekerkert hatte, leidet er an Diabetes, so daß ihm die Erinnerung an den mitteldeutschen Volksaufstand buchstäblich "im Blut" liegt.

Damals war er bereits am 16. Juni mit Hunderten Kollegen von den Baustellen der Ost-Berliner Stalin-Allee in die Friedrichstraße gezogen, um gegen die von der SED erlassene Erhöhung der Arbeitsleistungs-Norm zu demonstrieren. Einen Tag später lauteten die Forderungen im Generalstreik schon "Fort mit Ulbricht!", "Freie und geheime Wahlen!", und der Ruf nach der deutschen Einheit erscholl. Gemeinsam mit einem Kollegen kappte Plöckinger die Kabel der Lautsprecher, mittels derer die SED-Propagandisten versuchten, das aufgebrachte Volk Unter den Linden zu beschwichtigen. Dann rückten Panzer an. Der gebürtige Pankower wurde schließlich zu einer hohen Zuchthausstrafe verurteilt, kam dann aber wegen seiner schweren Erkrankung vorzeitig frei und ging 1956 in den Westen.

Der Kampf von damals wurde Plöckinger zur Berufung, der er als langjähriger Vorsitzender der "Vereinigung 17. Juni 1953" noch immer nachkommt: das Gedenken an die Ziele und die Opfer von damals wachzuhalten. Im Westen begleitete zunächst allgemeine Solidarität die "17er". So erreichten sie, daß auf der Potsdamer Chaussee in Berlin-Zehlendorf als Mahnmal dort ein Holzkreuz aufgerichtet wurde, wo bis dato als Siegeszeichen ein Panzer der sowjetischen "Befreier" thronte. Im Zuge des "Wandels durch Annäherung" allerdings versagten Politik und Öffentlichkeit den Freiheitskämpfern immer mehr die Unterstützung. Fassungslos mußten sich Plöckinger und seine Mitstreiter für ihr Festhalten an der Wiedervereinigung gar als "Revanchisten" beschimpfen lassen - sie, die nicht nur die eigenen Gefallenen, sondern auch die Sowjetsoldaten in die alljährlichen Ehrungen einschlossen, die am 17. Juni wegen Befehlsverweigerung standrechtlich erschossen worden waren.

Erst mit der friedlichen Revolution 1989 erfuhren auch die "17er" wieder mehr Beachtung. Für den 50. Jahrestag im kommenden Jahr hat Plöckinger nur einen Wunsch: Daß die zu DDR-Zeiten eingeebneten Gräber von Opfern des 17. Juni wieder sichtbar gemacht und von Schulklassen in einer Patenschaft gepflegt werden: "Statt Mathematik könnte dann am 17. Juni ein Besuch der Gräber auf dem Lehrplan stehen". Damit auch über die Veteranengeneration hinaus die Erinnerung an diesen deutschen Freiheitskampf wachgehalten wird. Wenn nicht dreimal am Tag, so doch wenigstens einmal im Jahr.


 
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