© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/02 14. Juni 2002

 
Marine-Einsatz an der Adria-Küste
Italien: Das neue Einwanderungsgesetz trägt die Handschrift der Lega Nord / Illegale Zuwanderung jetzt strafbar
Christian Roth

Es trägt den Namen der Einbringer: "Legge Bossi-Fini". Und das neue, letzte Woche verabschiedete italienische Einwanderungsgesetz, sorgte für den ersten richtigen Verdruß in der ansonsten seit einem Jahr stabil regierenden italienischen Mitte-Rechts-Koalition unter Silvio Berlusconi. Denn die Auseinandersetzungen um die Verordnung, die illegalen Einwanderern das Leben in Italien schwerer machen soll, sorgte nicht nur zwischen Regierung und Opposition für Miß-Stimmungen. Auch im Regierungslager knirschte es merklich.

Während die Angehörigen der kleinen christlichen Zentrumspartei (UDC) in Berlusconis "Casa delle libertà" (Haus der Freiheiten) für alle Ausländer, die sich illegal in Italien aufhalten und einer gesetzlich geregelten Arbeit nachgehen, eine Amnestie und somit die Möglichkeit forderten, ihren Status zu legalisieren, wollte die Lega Nord mit ihrem Chef Umberto Bossi davon nichts wissen. Nach langem und zähen Feilschen kam schließlich ein Kompromiß zustande. Nicht zuletzt, weil sich Regierungschef Silvio Berlusconi persönlich in die Debatte einschaltete und die UDC dazu bewegen konnte, ihren Änderungsantrag zurückzuziehen.

So stimmten vergangene Woche schließlich 279 Parlamentarier für den Gesetzesentwurf, den Reformminister Bossi und Vizepremier Gianfranco Fini von der rechtsnationalen Alleanza Nazionale (AN) eingebracht haben. Damit haben die "Juniorpartner" von Berlusconis Forza Italia ihre Wünsche durchgesetzt. Gerade Bossi hatte seinen Wählern vor den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr versprochen, er werde als Regierungsmitglied aus dem Gesetz "Turco-Napolitano" der linken Vorgängerregierung Altpapier machen.

Diese Bestimmung regelte bisher Italiens Einwanderungspolitik und war Bossi und seinen "Grünhemden" von der Lega Nord ein gewaltiger Dorn im Auge: "Diese Regierung macht eine denkbar schlechte Figur in der Einwanderungspolitik. Die Ankunft der Illegalen ist das Werk internationaler Banden, die die Souveränität unseres Landes untergraben wollen." Der Minister versteht es perfekt, sich als Opposition in der Regierung zu profilieren. Anders als Berlusconi-Vize Gianfranco Fini, der seit der Umwandlung der postfaschistischen Sozialbewegung (MSI) in die verfassungskonforme AN peinlich auf Abgrenzung bedacht ist und sich als seriöser staatstragender Politiker verkauft, hat Bossi in den vergangenen Wochen verstärkt die Nähe zu anderen europäischen Nonkonformisten gesucht und unter anderem die Ideen von Jean-Marie Le Pen zur Einwanderungsfrage als "interessant" bezeichnet.

Einwänden der UDC von Europaminister Rocco Buttiglione, das neue Gesetz sei inhuman, entgegnete Bossi: "Diese Herren haben anscheinend nichts gelernt. Sie verwechseln christliche Nächstenliebe mit der Ausbeutung unseres Landes." Die Eckpunkte des neuen Immigrationsrechts, das definitionsgemäß alle Nicht-EU-Bürger betrifft, sehen vor, daß eine Aufenthaltserlaubnis nur noch erhält, wer bereits über einen Arbeitsvertrag verfügt. Die illegale Einwanderung steht mit Inkrafttreten des Gesetzes unter Strafe und von allen Nicht-EU-Einwanderern sollen Fingerabdrücke genommen und in einer zentralen Datenbank gespeichert werden. Obwohl die Zahl der illegalen Einwanderer jährlich auf eine halbe Million geschätzt wird, und selbst linke Kommentatoren in diesen Tagen vor einer weiteren Verschärfung der Situation warnen, hat die Einwanderungs-Debatte für beträchtlichen Wirbel gesorgt.

Das kommunistische Blatt Manifesto erschien dieser Tage mit der Schlagzeile "Die Arier" und widmete Bossi und Fini gleich die gesamte Titelseite. Im Parlament demonstrierten die Grünen mit Spruchbändern, die Linksdemokraten sprachen von einem "Manifest des neuen Rassismus" und der Einführung eines neuen Apartheid-Regimes. Selbst Ministerpräsident Berlusconi, ansonsten nicht gerade als Leisetreter bekannt, versuchte sich in der Rolle des Moderatoren: "Wir haben getan, was möglich ist. Aber immer im Rahmen der internationalen Gesetze", meinte der Regierungschef, der tunlichst darauf bedacht ist, Konfrontationen mit der EU zu vermeiden. Von dieser Aussage zeigte sich Bossi jedoch ebenso unbeeindruckt wie von dem Vorschlag José María Aznars. Der spanische Ministerpräsident will beim EU-Gipfel am 21. und 22. Juni in Sevilla auf eine einheitliche Regelung der illegalen Einwanderung drängen.

"Europa hat uns verraten und wenn das so weitergeht, werden wir aus unserem Land vertrieben", meinte Bossi und forderte den systematischen Marine-Einsatz an der Adria-Küste. Während die Linke Italiens erwartungsgemäß hysterisch reagierte, honorieren die Bürger, daß Bossi seine Wahlversprechen umsetzen will. Bei der ersten Runde der Kommunalwahlen vor zwei Wochen legte die Lega Nord teilweise um bis zu acht Prozentpunkte zu.


 
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