© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/02 14. Juni 2002

 
UMWELT
Industrieverseuchte Ökonahrung
Volker Kempf

Bioland" und andere NaturkostMarken gibt es schon länger als Renate Künast Verbraucherschutzministerin ist. In entsprechenden Bio-Betrieben wurde stets im Kreislauf gewirtschaftet. Vom Futtermittel bis zur Gülle war alles ein geschlossenes System. Dieser Öko-Philosophie konnten viele Betriebe aber so leicht nicht gerecht werden. Doch Bio-Lebensmittel sollten nach Künasts Vorstellung nicht nur Klasse haben, sondern auch massig vorhanden sein. Also wurde dieser Kreislauf geöffnet, nämlich gemäß EU-Öko-Landbau-Verordnung. Die Rechnung schien aufzugehen, denn die Menge der Erzeugnisse aus der Öko-Landwirtschaft nahm tatsächlich zu. Aber mit der Komplexität eines Systems wächst auch dessen Anfälligkeit. Und so kam es, daß in die geöffnete Kreislaufwirtschaft von Bio-Höfen Futtermittel hineinkamen, die dort nicht hineingehörten. Es waren dies Futtermittel, die von der Chemieindustrie verseucht wurden - genauer: mit Restbeständen aus Zeiten der harten chemischen Keule, die da Nitrofen lautet.

Wie das geschehen konnte? Das Vertrauen Künasts in ihren Öko-Landbau war zu groß, als daß sie penibel auf die Kontrollmechanismen geachtet und einen "Größten anzunehmenden Unfall" (GAU) einkalkuliert hätte. Man muß den Hochmut eben mehr bekämpfen als die Feuersbrunst, sagte schon Heraklit. Eines ist sicher: Ökoverseuchte Industrienahrung wird es so schnell nicht geben. Denn Öko als solches steht für eine Qualität, die alle Kontrollen auf chemische Rückstände passieren würde. So mag man wie der Bauernverband über die Standards des Öko-Landbaus streiten, verschärft werden müssen aber vor allem die Standards für die industrielle Landwirtschaft, wo das Nitrofen eigentlich herkommt.


 
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