© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/02 14. Juni 2002

 
Neue Technologien: Therapeutisches Klonen
Das Handwerkszeug wird immer besser
Angelika Willig

Die Bioethik-Debatte droht zu stagnieren. Jede Woche treffen neue Erfolgsmeldungen aus den Forschungslabors ein, und die Reaktionen sind immer die gleichen. Entweder bejubelt man die Chancen für die Medizin, oder man beklagt das Schicksal geopferter Embryonen. Geht es eigentlich gar nicht ohne Embryonen in der Gentechnik? Zur Zeit noch nicht, aber ethisch engagierte Mediziner wie Michel Sittinger von der Arbeitsgruppe Tissue Engineering an der Berliner Charité versichern, daß prinzipiell auch "adulte Stammzellen" oder "Vorläuferzellen" zu verwenden sind, wenn es um Gewebekulturen geht. Es wäre sogar die Klonierung - eine genetisch identische Kopie des Menschen - vorstellbar ohne "Mord" an Embryonen. Wären dann alle ethischen Bedenken gegenstandslos? Wohl kaum. Die Bioethik-Debatte ist nicht eine Abtreibungsdebatte mit neuen Vorzeichen, sondern eine neue Debatte, in der es um die Substanz des Menschen geht. Weder Befürworter noch Gegner trauen sich bisher an diese Fragestellung heran. Sie halten sich an dem fest, was sie kennen: die Vorteile der modernen Medizin und die Nachteile einer exzessiven Forschung.

Ein Versuch der amerikanischen Firma Advances Cell Technology (ACT) mit dem therapeutischen Klonen von Kühen zeigt die Möglichkeit, das Immunsystem auszuhebeln und Transplantationen problemlos zu machen. Außerhalb des Körpers wird aus dem geklonten Embryo körpereigenes Gewebe in der gewünschten Spezialisierung gezüchtet und wie gewohnt transplantiert. Bei den Tieren ist das nun vollkommen gelungen. Das eingesetzte Organ wird als eigenes erkannt und nicht mehr abgestoßen. Neben Bewunderung flößen solche Fertigkeiten auch Furcht ein. Wer so gut schustern kann, ahnt man, wird sich mit Reparaturen nicht ewig zufrieden geben.

Schon vor den ersten Versuchen am Menschen wenden deutsche Wissenschaftler wie Eckhard Nagel, Leiter des Augsburger Transplantationszentrums und Mitglied des Nationalen Ethikrats ein: "Das Prinzip des therapeutischen Klonens ist ein Verfahren, das menschliches Leben instrumentalisiert." Der Verzicht auf dieses Verfahren, könnte man polemisch entgegnen, vernichtet das Leben der Kranken, die auf ein Spenderorgan warten. Die gewohnten Fronten entstehen, die wohl erst eine weitere technische Entwicklung lösen wird.

Wie jubelte Frank Schirrmacher vor zwei Jahren, als er sein Feuilleton zum Schauplatz des Human Genom Project machte! Inzwischen beschäftigt sich der große Intellektuelle schon wieder mit Sentimentalitäten im Suhrkamp-Verlag, die die Welt mit Sicherheit nicht ändern werden. Dranbleiben, Herr Schirrmacher, auch wenn nicht jeden Tag ein Craig Venter klingelt. Nicht zu Walser, zu den Kühen und der subkutanen Miniaturniere, da hätten wir gern Ihre Meinung gewußt.


 
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