© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/02 14. Juni 2002


Frisch gepresst

Freikorps. Der zuletzt an der Universität York tätige Historiker Hannsjoachim Koch untersucht in seinem neuesten Werk das Phänomen der deutschen Freikorps nach dem Ersten Weltkrieg, losgelöst von gegenwärtigen Wertungen. Dabei stellt er die groteske Situation dar, daß die größtenteils antidemokratisch gesonnenen Freikorpsführer den Machterhalt genau dieses Systems sicherten, indem sie es vor einer "zweiten Revolution" marxistischer Kräfte durch ihre innerdeutschen Kämpfe gegen die Kommunisten bewahrten. Selbst nach dieser ersten Stabilisierung der Republik waren nur sie als einzig verläßliche und organisierte Kraft in der Lage, auch die Grenzen zu verteidigen, in Oberschlesien 1920/21 ebenso wie im österreichischen Kärnten 1920. Dabei besaßen die von Karl Radek als "Wanderer ins Nichts" bezeichneten Freikorpsmänner nie die politische Macht, selbst nicht während des aus ihren Reihen entstehenden Kapp-Putsches (Der deutsche Bürgerkrieg. Eine Geschichte der deutschen und österreichischen Freikorps 1918-1923. Edition Antaios, Dresden 2002, 506 Seiten, 24 Euro).

Pflanzenzüchter. So wie Kleinkünstler Kaninchen aus dem Hut zaubern, so weisen Wissenschaftshistoriker selbst abseitigsten Forschungsdisziplinen politische Bedeutung nach. Anglisten werden über Nacht zu Analytikern britischen Weltmachtstrebens, Linguisten zu Reanimateuren indo-"germanischer" Traditionen und Agrarwissenschaftler zu Programmatikern der "Ostsiedlung". Die weit linksaußen angesiedelte Susanne Heim, Enkelin des Dithmarscher Bauernführers Claus Heim, hat als Koordinatorin des Max-Planck-Projekts zur "Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus" und Herausgeberin eines einschlägigen Sammelbandes ein Gespür für solche Affinitäten entwickelt. Tatsächlich kann man, abgesehen von den Natur- und Wirtschaftswissenschaften, die politische Relevanz deutscher Wissenschaft kaum anschaulicher belegen, als mit der Geschichte Landwirtschaftlicher Institute und Forschungsanstalten, die sich vor 1914 in den "Kolonialdienst" nehmen ließen, die nach 1933 Wege zur Nahrungsautarkie suchten und ab 1939 Siedlungsmöglichkeiten im kurzzeitig eroberten Ostraum sondierten (Autarkie und Ostexpansion. Pflanzenzucht und Agrarforschung. Wallstein Verlag, Göttingen 2002, 306 Seiten, 20 Euro).


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