© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/02 21. Juni 2002

 
Der Teufel hat hier die Kohle versteckt
Braunkohleförderung: Das kleine brandenburgische Dorf Horno hat seinen Überlebenskampf verloren / Arbeitsplätze statt Natur
Paul Leonhard

Gott hat die Lausitz geschaffen, aber der Teufel hat die Kohle darunter versteckt." Dieser Satz des sorbischen Schriftstellers Juri Koch beschreibt auch das ganz aktuelle Problem des deutsch-sorbischen Dorfes Horno. Die Bagger des Braunkohletagebaus Jänschwalde stehen nur noch einen halben Kilometer vor der in Südbrandenburg gelegenen Ortschaft.

Die Rechnung Arbeitsplätze gegen Heimat scheint im Fall der 300-Seelen-Gemeinde Horno zugunsten der Jobs auszugehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat am vorvergangenen Mittwoch eine Klage des Naturschutzverbandes "Grüne Liga" abgewiesen, in der gefordert wurde, vor einer Abbaggerung ein Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung anzuordnen. Dieses ist zwar nach bundesdeutschem Recht notwendig, allerdings sind davon nach Einigungsvertrag Abbauvorhaben ausgenommen, die bereits zu DDR-Zeiten begonnen wurden.

Mit dem Richterspruch sind wahrscheinlich auch Enteignungen im Rahmen des bergrechtlichen Verfahrens möglich. Damit droht den 300 verbliebenen Dorfbewohnern endgültig die Zwangsumsiedlung. Vor dieser waren die Landespolitiker noch vor acht Jahren zurückgeschreckt. Als damals die Hornoer Gemeindevertreter versicherten, sich notfalls mit zivilem Ungehorsam gegen eine Vertreibung zur Wehr zu setzen, schreckte man im Potsdamer Landtag noch vor der Horror-Vision zurück, womöglich ein ganzes Dorf mit Gewalt vertreiben zu müssen. So zimperlich ist man heute nicht mehr. Bis Ende des Jahres sollen die Einwohner umgesiedelt werden.

Das Todesurteil für das mehr als 650 Jahre alte Dorf wurde 1977 vom damaligen Cottbuser Bezirkstag gesprochen. Die Betroffenen erfuhren von den geplanten Neuaufschlüssen der Tagebaue Jänschwalde und Cottbus-Nord allerdings nur gerüchteweise. Erst als SED-Kreisleitung und Braunkohlekombinat anfingen, öffentliche Veranstaltungen und Einzelgespräche zu durchzuführen, begannen die Hornoer das ihnen zugedachte Schicksal zu begreifen. Im September 1989 unterzeichneten fast alle wahlberechtigten Dorfbewohner eine Petition an den damaligen Staats- und SED-Chef Erich Honecker. In dieser forderten sie, die Braunkohlepläne zu überprüfen und so zu ändern, daß Horno stehenbleiben kann.

Neue Hoffnung keimte mit der friedlichen Revolution vom Oktober 1989. Eine Bürgerinitiative formierte sich und wurde bei den ersten freien Kommunalwahlen vollständig in die neue Gemeindevertretung gewählt. Ziel war die Rettung der Ortschaft vor den Kohlebaggern. Schnell wurde aber klar, daß die Lausitzer Braunkohle AG (Laubag) an der Weiterführung des Tagebaus Jänschwalde festhalten würde. Der Kampf David gegen Goliath begann.

Einen Teilerfolg erzielte das kleine Dorf am 1. Juni 1995. Damals erklärte das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg die Verordnung zum Braunkohlenplan des Tagebaus Jän-schwalde für nichtig. In der Urteilsbegründung wurde die Absicht der Landesregierung gerügt, eine Gemeinde gegen ihren Willen per Rechtsverordnung auflösen zu wollen. Solche gravierenden Entscheidungen habe der Gesetzgeber, also der Potsdamer Landtag, selbst zu treffen. Ende September 1998 wurde die Gemeinde schließlich doch aufgelöst und seit dieser Zeit steht Ex-Bürgermeister Bernd Siegert an der Spitze des Vereins "Pro Horno/Rogow". Ziel sei es, nicht nur um den Erhalt der Heimat der Hornoer zu kämpfen, sondern die Zerstörung einer gesamten Region zu verhindern, betont Siegert. Er weist darauf hin, daß die Braunkohle in ineffizienten Alt-Kraftwerken wie Jänschwalde ökonomisch und ökologisch nicht mehr wettbewerbsfähig ist und ab 2000 von allen Deutschen mit jährlich rund zehn Euro pro Haushalt subventioniert wird.

"Unsere Hoffnung, mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schnell zum Ziel zu kommen, verflog mit der Erkenntnis, daß die monopolistische Energiewirtschaft und auch die Gewerkschaft die Macht hat, alle gesellschaftlichen Bereiche zu beeinflussen und selbst demokratisch gewählten Regierungen ihren Willen aufzuzwingen", heißt es in der Chronik des Dorfes.

Der Bergbau spekuliere seit jeher darauf, daß die Menschen entsolidarisiert und gegeneinander ausgespielt werden, sagt Siegert: "Unsere Waffen sind deshalb Offenheit, Ehrlichkeit und Sachlichkeit". Aber diese Waffen aus der Tradition der DDR-Bürgerbewegung sind stumpf geworden. Es hat sich kein Richter gefunden, der, wie Siegert hoffte, "die Bagger stoppt oder um Horno herum baggern läßt". Auch die Hoffnung, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Gehör zu finden, scheiterte. Die Hornoer hatten versucht aus der Tatsache, daß sie mehrheitlich als Sorben Mitglieder einer slawischen Minderheit mit eigener Sprache sind, den Schutz der sorbischen Dorfgemeinschaft vor der "Devastierung" (Zerstörung ihrer Grundstücke durch menschliche Eingriffe) durchsetzen zu können.

Die Abbaggerung von Horno sei beschlossene Sache, berichtete bereits Anfang März der stellvertretende Chef der Domowina, des Dachverbandes der Sorben, Harald Konzack, nach einem Gespräch mit dem Vorsitzenden des schwedischen Staatsunternehmens Vattenfall. Dieses ist über seine Hamburger Tochter HEW Mehrheitseigentümer der Laubag. "Wir müssen weichen", konstatiert inzwischen auch Siegert. Der Kohlebagger wird alles zerstören, den Hornoer Berg, den Wald, das Dorf. Wenigstens das gesellschaftliche Leben hofft der Ortsvorsteher ins 15 Kilometer entfernte Forst-Eulo retten zu können. Hier soll das neue Dorf auf einer Fläche von 44 Hektar entstehen. Im Hornoer Gemeindehaus steht bereits ein Modell mit der Dorfaue und der Kirche im Zentrum.

Während die meisten Hornoer keine Hoffnungen mehr auf den Rechtsweg setzen und die Koffer packen, will die Grüne Liga eventuell vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Aus Sicht der Umweltschutzorganisation wirft auch die Übernahme der Laubag durch den schwedischen Staatskonzern Vattenfall neue Fragen auf. Nach Meinung von Grünen-Liga-Anwalt Dirk Teßmer ergebe sich daraus eine andere Kostenargumentation, die vielleicht doch eine Umfahrung des Dorfes ermöglicht. Diese war bisher stets aus Kostengründen abgelehnt worden. Die Laubag will in Jänschwalde bis 2019 noch auf einer Fläche von 3.500 Hektar Braunkohle zur Stromerzeugung abbauen.


 
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