© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/02 28. Juni 2002

 
UMWELT
Weltmeister Deutschland
Volker Kempf

Den Deutschen sagt man eine besondere Naturliebe nach. Die Schattenseite dieser "Liebe" hat in den achtziger Jahren der Karikaturist Horst Haitzinger dargestellt: In einem deutschen Sofa sitzt ein Tourist mit Safari-Helm, dazu ein schöner großer Schildkrötenpanzer als Lampenschirm, ein Tigerfell als Teppichvorleger usw. Darunter stehen die Worte: "Wenn Sie die Natur auch so lieben wie ich, wird es bald keine mehr geben." Die Nachfrage von Touristen nach schillernden Naturprodukten sorgt dafür, daß Einheimische in ihren exotischen Ländern die Natur zerstören. Der "exotische" Einkauf ist damit aber nicht nur naturzerstörend. Riffe etwa verschwinden durch das Einsammeln von Korallen und damit auch die Fische, die Nahrungsgrundlage vieler Lebewesen waren.

Die Natur will überhaupt nicht geliebt werden, sondern ihre Ruhe haben, vor allem vor den Weltmeistern des Reisens, den Deutschen. Denn dieses Volk ist beim Artenschmuggel leider Weltspitze. Die Aktionsgemeinschaft Artenschutz (AgA) weist in diesen Tagen deshalb darauf hin: "Die Touristen, die wie Heuschrecken in die oft ärmsten Länder der Erde einfallen und massenweise wieder Korallen, Muscheln, Elfenbein, Schildplatten, Krokodil- und Schlangenleder usw. kaufen", sollten besser zu Hause bleiben und im Wald spazieren gehen. Das hat mit Naturromantik sicher mehr zu tun, als hübsche Korallen im Ausland zu erbeuten. Aber zu Hause ist es einsam, da halten viele dann mitunter exotische Tiere im Käfig. Ob die Deutschen auch hierbei Weltmeister sind, sei dahingestellt. Seit der Pisa-Studie aber wissen wir, die Deutschen sollten lieber schauen, Leseweltmeister zu werden. Ein gutes Buch tut es auch. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen