© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/02 05. Juli 2002

 
CD: Pop
Reibeisenstimme
Holger Stürenburg

Anfang 2002 kursierte eine Dancefloor-Fassung von Bonnie Tylers "Total Eclipse of my Heart" durch die europäischen Hitparaden. Ein bislang nicht näher aufgefallener Diskjockey namens Jan Wayne drehte zusammen mit der Sängerin Lena das von John Steinman komponierte Rockepos lieblos durch den Tekkno-Wolf und nahm dem opernhaften Stück nahezu alles an Charme und Energie. Das Original der heute 51jährigen schottischen Rocklady kann man jetzt wieder zusammen mit weiteren Hits ihrer fast 25 Jahre dauernden Karriere auf ihrem neuen Doppelalbum "Total Eclipse - The Bonnie Tyler Anthology" (Castle/Sanctuary) hören.

Begonnen hatte die Lady mit der Reibeisenstimme Mitte der siebziger Jahre mit typischem Pop jener Tage. Dieser klang mal gitarrenlastig, mal balladesk und paßte famos in die damalige Szene zwischen Smokie und Suzi Quatro. Mit der Popballade "Lost in France" gelang ihr 1976 der Durchbruch, und mit "More than a Lover" und vor allem "It's a Heartache" konnte sie sich weiter etablieren. Geschrieben und produziert hatte diese Stücke das Team Scott und Steve Wolf, das sich ähnlich wie ihre Kollegen Chinn/Chapman bei Smokie sicherlich eine goldene Nase verdiente. Als der Siebziger-Jahre-Pop zum Ende der Dekade von New Wave und Synthipop abgelöst wurde, war Bonnie Tylers Karriere an einem Wendepunkt angelangt. Die Single "Goodbye to the Islands" wurde weder hierzulande noch in ihrer Heimat ein Erfolg. Es hieß nun: Etwas anderes machen! Und so war Bonnie Tyler einer der wenigen Popstars der Siebziger, der nicht nur Anschluß an die achtziger Jahre fand, sondern sich qualitativ wie kommerziell steigern konnte. Durch ihre Kooperation mit Meat Loafs Songschreiber Jim Steinman fand Bonnie Tyler ihren Weg zu hartem, eingängigem Rock amerikanischer Prägung. 1983 erschien das Album "Faster than the Speed of Night", größtenteils geschrieben und arrangiert von Jim Steinman, der sich von Meat Loaf getrennt hatte. Die bombastischen Orchesterarrangements Steinmans vertrugen sich hervorragend mit Tylers markanter Stimme. 1984 trugen Steinman und Tyler das ebenso bombastische, aber auch tanzbare "Holding out for a Hero" zum Soundtrack des US-Teeniefilms "Footloose" bei. Zwei Jahre später endete die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Album "Secret Dreams of forbidden Fire" und der arienhaften Single "Loving you is a dirty Job, but somebody's gotta do it". Bonnie Tyler tat sich mit anderen Songschreibern zusammen, blieb aber musikalisch bei radiotauglichem Rock. Es folgten kleinere Hits wie "Hide your Heart" (1988) oder "Notes from America" (1989). Als die Erfolge in ihrer Heimat ausblieben, verlegte Bonnie Tyler Anfang der neunziger Jahre ihre Karriere nach Deutschland - und begab sich in die Hände Dieter Bohlens. Die von Bohlen produzierten Schmachter "Bitterblue", "Silhouette in Red" oder "Say Goodbye" gerieten zu gut verkäuflichen Hits. 1998 erschien ihr letztes Album "All in one Voice", das von der Öffentlichkeit jedoch überhaupt nicht mehr wahrgenommen wurde.

Die vorliegende Doppel-CD enthält insgesamt 37 Hits, Albumtracks und Raritäten aus Bonnie Tylers Vierteljahrhundert im Showgeschäft. Qualitativ unterschiedlicher, aber immerhin durchgehend hörbarer Rock und Pop schleichen sich durch die Gehörgänge. Wer sich mit Bonnie Tyler als Gesamtkunstwerk auseinandersetzen mag und ihre wichtigsten Lieder sein Eigen nennen möchte, sollte sich "Total Eclipse - The Anthology" sofort zulegen. Wer allerdings nur die qualitativen Höhepunkte Bonnie Tylers besitzen will, für den reicht es, "Faster than the Speed of Night" zu erwerben; das Album ist seit einigen Jahren im Midprice-Bereich bei Sony erhältlich.


 
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