© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/02 05. Juli 2002

 
Ein Fest der Sinne
Oper: "Alcina" in Göttingen
Julia Poser

Nach zwei Abstechern ins moderne Regietheater haben die Göttinger Händel-Festspiele wieder zu ihrem barocken Rahmen zurückgefunden, und zwar zur großen Freude derer, welche die Einheit von Musik, Bühnenbild, Kostümen und Regie schätzen. Dabei ist den Festspiel-Leitern besonders mit "Alcina" ein großer Wurf gelungen.

Der Stoff zu "Alcina" stammt aus dem Versepos "Orlando furioso" des Renaissance Dichters Ariost. Die schöne, verführerische Alcina sammelt auf ihrer geheimnisvollen Zauberinsel attraktive Männer, die sie in Tiere, Büsche oder Steine verwandelt, wenn sie ihrer überdrüssig geworden ist. So umgarnt sie auch den edlen Ritter Ruggiero, der in ihren Armen nicht nur seine Heldentaten, sondern auch seine Braut Bradamante vergißt. Dem mutigen Mädchen gelingt es jedoch nach vielen Schwierigkeiten, Ruggiero aus den Fängen dieser Circe zu retten. Am Ende ist Alcinas Macht gebrochen und ihre Zauberinsel versinkt.

Nach dem Motto der diesjährigen Festspiele "Händel und Le gout francais" (der französische Geschmack) wurden barocke Tänze wie Gavotte, Sarabande, Musette und Menuett im französischen Stil erstmals wie bei Händel wieder gezeigt. Wer könnte das schöner und eleganter als Catherine Turocy mit ihrer New York Baroque Dance Company. Von ihr stammt auch die tänzerisch lebendige Regie. Die prachtvollen Bühnenbilder von Scott Blake schufen den passenden Rahmen für Bonnie Krugers zauberhafte Kostüme. Aber auch die Stimmen der Sänger und das Philharmonic Baroque Orchestra unter ihrem Dirigenten und künstlerischen Leiter Nicholas McGegan boten ein überwältigendes Fest der Sinne. Als Alcina glänzte die Australierin Yvonne Kenny, mit schwerelosen Koloraturen, mädchenhaft hellem Sopran entzückte Cyndia Sieden als Morgane, Alcinas jüngere Schwester. Aber selbst diese beiden großartigen Sängerinnen wurden von Wilke te Brummelstroete in der Hosenrolle des verblendeten Ruggiero überragt. Deren warmer, wandlungsfähiger Mezzosopran, ihre perlenden Koloraturen und ihr heldisch männliches Spiel rissen die Zuhörer des ausverkauften Deutschen Theaters zu Begeisterungsstürmen hin. Der dunkle Alt von Ewa Wolak gefiel als temperamentvolle Bradamante. Einen beweglichen Tenor zeigte Jaian Paton als Oronte, den Befehlshaber von Alcinas Truppen. Den weisen Ratgeber Bradamantes, den alten Melisso, gab Andrew Foster-Williams mit schwarzem Baß. Nicholas McGegan feuerte das Orchester zu glutvollem Spiel an und schuf damit drei Stunden bewundernswerte Beweglichkeit und tänzerische Leichtigkeit.


 
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