© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/02 12. Juli 2002


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Einschüchterung
Karl Heinzen

Die Amerikaner nehmen es hin, wenn ihnen der Dank dafür versagt bleibt, daß sie die Verantwortung für das Weltgeschehen tragen. Sie lassen es aber nicht zu, wenn jemand versucht, sie in der Wahrnehmung ihrer Pflichten auch noch zu behindern. Eine solche Behinderung kann sicherlich gut gemeint sein. Es ist aber mindestens ebenso wahrscheinlich, daß ehrbare Motive auch bloß vorgeschoben werden, um antiamerikanische Ressentiments oder gar inakzeptable Interessen zu bemänteln. Man sollte daher auch den Vorschußlorbeeren, mit denen der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag bedacht wird, eher mißtrauen. Natürlich ist es ein begrüßenswertes Vorhaben, auch die zwischenstaatlichen Beziehungen dem Recht zu unterwerfen und niemandem mehr zu konzedieren, seine Untaten unter dem Schirm vermeintlicher nationaler Souveränität straffrei zu stellen. Für nichts anderes treten die USA seit ihrer Gründung ein. Dafür sind sie im vergangenen Jahrhundert mehr als einmal in einen großen Krieg eingetreten, und dafür säubern sie heute unseren Planeten bis in den letzten Winkel von allen Widerstandsnestern, die verdächtigt werden müssen, den gemeinsamen Boden der Zivilisation bereits verlassen zu haben oder dies irgendwann einmal beabsichtigen zu können.

Der Internationale Strafgerichtshof jedoch ist ein Konstrukt, das unter dem Vorwand vorgeblicher Rechtsprechung die Rechtserzwingung verhindern soll. Nur zum Schein richtet er sich gegen Unrechtsregime, die ihre Bevölkerung oder ihre Nachbarstaaten terrorisieren. Im Kern will er aber doch nur jene der freien Wahl der Mittel berauben, die diese zur Durchsetzung der Normen, die er für sich reklamiert, auch einsetzen. Sicherlich wird er dem einen oder anderen gestürzten Diktator oder in seinem Heimatland nicht mehr gelittenen Kriegsverbrecher schon um den Schein zu wahren den Schauprozeß machen. Vor allem aber bezweckt er nach dem Willen seiner in nationalen Egoismen befangenen Initiatoren die Einschüchterung all jener Soldaten und zivilen Verantwortungsträger, die unter dem Sternenbanner weltweit dafür sorgen, daß es zu solchen Verfahren überhaupt erst kommen kann. Wer in kritischen Situationen nicht darauf vertrauen darf, daß die Weltgemeinschaft uneingeschränkt hinter ihm steht, ist aber letztlich zu einer Zurückhaltung verdammt, die der Sache, um dies es geht, nicht dienlich ist.

Es ist kein Zufall, daß die Fürsprecher des Internationalen Strafgerichtshofes zumeist auch jene sind, die einem größeren Gewicht der UNO das Wort reden. Beides ist so naiv wie gefährlich. Man mag in Den Haag Recht über jene sprechen, die sich diesem Recht auch beugen müssen. Das ist dann vielleicht sogar so etwas wie ein kleiner zivilisatorischer Fortschritt. Man sollte dort aber nicht verkennen, daß die USA an anderen Maßstäben gemessen werden müssen. Die Legitimation ihres Anspruchs auf eine weltweite Geltung ihres Ordnungsrufes kann niemand in Frage stellen.


 
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