© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/02 12. Juli 2002

 
Dem Parlament die Kontrolle entzogen
Verteidigungspolitik: Über die KSK-Aktivitäten wird der Verteidigungausschuß von Rudolf Scharping nicht informiert / Die Kontrolle über die Amerikaner aus
Josef Schüßlburner

Scharping macht aus der Parlamentsarmee eine Ministerarmee", so die Beschwerde des sicherheitspolitischen Sprechers der FDP, Günther Nolting, über die Informationspolitik des Bundesverteidigungsministers Rudolf Scharping (SPD) zum Einsatz deutscher Elitesoldaten in Afghanistan. Plötzlich war bekannt geworden, daß rund einhundert Soldaten des Kommandos Spezialkräfte am Hindukusch an Aktionen teilnehmen, die offiziell als "amerikanisch" bezeichnet werden. Ob dies auch für die Kriegsmaßnahmen zutrifft, von denen etwa Hochzeitsfeiern betroffen sind, scheint nicht einmal den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses bekannt zu sein.

Nach einem Bericht der Welt wirft der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einem Gutachten Scharping die Nichtbeachtung des parlamentarischen Informationsrechts vor.

Das Schlagwort "Parlamentsarmee" verweist auf ein Problem des deutschen Konstitutionalismus. Dieser unterschied zwischen Regierungs- und Kommandogewalt. Während bei ersterer die Anordnung des Monarchen ministeriell gegengezeichnet und dadurch die parlamentarische Verantwortung hergestellt wurde, unterblieb dies im letzteren Fall. Parlamentarische Kontrolle konnte insoweit nur über die Haushaltsgenehmigung ausgeübt werden, wobei diese aber vor dem Ersten Weltkrieg so weit ging, daß unklar wurde, was von dem Bereich, der in der westlichen Kriegspropaganda als "Autokratie" und "Militarismus" etikettiert und mit der Parole "Parlamentsheer" propagandistisch bekämpft wurde, tatsächlich verblieb.

Die Bundesrepublik will zur Bekämpfung des Militarismus diese Vergangenheit bewältigen. Sie hat zwar keine Parlamentsarmee gegründet - so etwas hat es als Bürgerkriegsarmee nur unter Oliver Cromwell gegeben -, aber die Parlamentskontrolle durch einen Verteidigungsausschuß zu stärken gesucht, der latent mit den Befugnissen eines Untersuchungsausschusses ausgestattet ist und damit von der Regierung alle Informationen erzwingen kann, wenngleich dies nicht die flankierende Aufsicht über die laufende Verwaltung beinhaltet. Allerdings ist dies mit dem ungelösten Problem des Untersuchungsausschusses im Parlamentarismus belastet, wo im Unterschied zum Präsidialregime nur Minderheiten an der Aufklärung fragwürdiger Regierungsaktivitäten interessiert sind. Das Sicherheitsinteresse steht der "Flucht in die Öffentlichkeit" entgegen, die der Minderheit eines parlamentarischen Ausschusses Macht verleiht.

Die verfassungsrechtliche Verankerung eines besonderen Ausschusses führt zudem zur Entmachtung des Bundestagsplenums, dem insoweit das Enqueterecht verwehrt ist. Die größte Bedrohung der Militarismusbewältigung stellt jedoch die Internationalisierung des Militärwesens dar: Ein Minister kann die parlamentarische Verantwortung real nur übernehmen, wenn der ihm unterstellte General für Einsätze zuständig ist. Dies ist jedoch in einem internationalisierten Verband nicht der Fall. Dort ist Selbstbestimmung durch Mitbestimmung ersetzt, die wiederum die Verantwortung vermindert und die Parlamentskontrolle beengt. Internationalisierung schmälert daher die Parlamentarisierung und bereitet den Weg zu einem neuen Militarismus.


 
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