© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/02 12. Juli 2002

 
Besonderes Richtfest
St. Petrus in Berlin: Traditionalisten bekommen Gotteshaus
Alexander Barti

Seit der Glockenweihe am diesjährigen Osterwochenende (JF 15/02) hat der Bau beachtliche Fortschritte gemacht: Der Rohbau steht, das Dach über Kirchenschiff, Gemeindesaal und Priesterwohnungen ist ebenfalls vollendet - es fehlte nur noch der Turmhut mit dem Gipfelkreuz", um endgültig als Gotteshaus kenntlich zu werden - so geschehen am 5. Juli 2002 gegen 11 Uhr.

Dabei handelt es sich bei dem Bau der katholischen Kirche St. Petrus am Breitenbachplatz in Berlin-Wilmersdorf nicht um irgendein Gotteshaus, das konnte der aufmerksame Beobachter schon daran erkennen, daß der Gemeindepfarrer Gerald Goesche in seiner Soutane deutlich als Mann Gottes zu erkennen war - ein seltener Anblick in Zeiten, da auch der Klerus lieber in legerem "Räuberzivil" sein Dasein fristet.

Die bürgerliche Anonymität entlastet im Alltag, denn wer nicht gekennzeichnet ist, der muß auch nicht einschreiten. Dienstschluß ist Dienstschluß, und wenn das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) beschlossen hat, die Fenster der Kirche einem frischen Lüftchen des Zeitgeistes zu öffnen, sollte man sich nicht wundern, daß die Bräuche aus "vorkonziliarer" Zeit zuerst abgelehnt und dann vergessen werden.

Bei der Kirche St. Petrus in Berlin-Wilmersdorf ist das "Fenster zur Welt" offenbar fest verschlossen, was auch der Leitung des Berliner Bistums, allen voran Kardinal Sterzinsky, nicht entgangen ist.

Am 14. Januar berichtete die FAZ auf ihren "Berliner Seiten" über den Kirchbau und verglich St. Petrus mit einem anderen Neubau - St. Canisius - im Bezirk Charlottenburg. Dabei stellte der Verfasser, Alexander von Schönburg, fest, daß offenbar beide Bauten von Rom gleich weit entfernt seien: St. Canisius, weil dort ein quadratisches "Seelensilo" aus Beton entstünde und St. Petrus, weil es einem "Raumschiff aus dem 12. Jahundert" gleiche. In der Tat huldigt letzteres Gotteshaus den Formen der Romanik, wo bekanntlich jeder Bogen und jede Säule auch eine mystisch-symbolische Bedeutung hatten. So ist auch bei dem neuen Bau im Stile der alten Zeit nichts dem Zufall überlassen, wie Pater Goesche, selbst promovierter Kunsthistoriker, bei einem Rundgang erklärte. Dem eher harmlosen Bericht der FAZ folgte eine kurze, aber heftige Polemik in der Berliner Kirchenzeitung, denn mit der Reportage war die Taktik der Diözese durchkreuzt, das traditionelle Projekt einfach totzuschweigen. Doch warum sollte die Kirche einem eigenen Kirchbau feindlich gesinnt sein?

Der Grund dafür ist einfach: Träger von St. Petrus ist die "Priesterbruderschaft St. Pius X.", die 1970 mit der Erlaubnis Roms von Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991) gegründet wurde. Der Auftrag der Pius-Bruderschaft war ebenso klar wie provozierend, man wollte die Tradition der Kirche, wie sie seit Jahrhunderten gepflegt wurde, gegen die revolutionären Neuerungen des Zweiten Vaticanums verteidigen; zum Beispiel, indem man weiterhin die Messe nach den Regeln Papst Pius V. (Tridentinischer Ritus) aus dem 16. Jahrhundert las, den Volksaltar ablehnte und jeden Relativismus der Glaubenswahrheiten entschieden verwarf.

Als Erzbischof Lefebvre seine Kräfte schwinden sah, weihte er 1988 in höchster Gewissensnot und gegen den Willen Roms vier Hilfsbischöfe, damit auch weiterhin die Möglichkeit der Priesterweihe gewährleistet wäre. Daraufhin erfolgte die Exkommunikation des Erzbischofs nebst seiner vier Hilfsbischöfe, obwohl es nie zu einem formalen kirchenrechtlichen Verfahren kam, und obwohl nachweislich weder ein Schisma noch eine Häresie zustande gekommen ist - die Priester und Gläubigen blieben von den Sanktionen Roms unbehelligt, die gespendeten Sakramente sind daher gültig.

Daß viele Gläubige mit dem modernistischen Kurs Roms nicht einverstanden sind, zeigt nicht zuletzt der Zulauf, den die Pius-Bruderschaft nach eigenen Angaben hat. St. Petrus in Berlin ist dafür ein steingewordenes Zeichen, vor dem nicht ohne Grund die Amtskirche zittert, denn der nur durch Spendengelder finanzierte Kirchbau bedeutet nicht nur, daß die Traditionalisten ihre kleine Hinterhofkapelle in Berlin-Kreuzberg verlassen haben, sondern auch, daß mit dem geplanten Priorat noch zwei weitere Patres in die Hauptstadt kommen. Dadurch wird die Mission bis in das Baltikum hinein einen noch stärkeren Schub bekommen. Weitere Kirchen könnten daher in absehbarer Zeit in die Hand der "Ewiggestrigen" übergehen - für progressive Theologen eine grauenhafte Vorstellung.

 

Weitere Informationen: Priesterbruderschaft St. Pius X, Stuttgarter Str. 24, 70469 Stuttgart, Tel: 07 11 / 89 69 29 29, Fax: 07 11/ 89 69 29 19, Internet: www.fsspx.de .


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen