© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/02 12. Juli 2002

 
Frisch gepresst

Breslau. Die britischen Historiker Norman Davies und Roger Moorhouse beschreiben in ihrer Geschichte Breslaus für deutsche Verhältnisse in etwas unkonventioneller Sicht die Vertreibung und die bis 1970 von "Apathie, Alkoholismus und Entfremdung" begleitete Polonisierung der Hauptstadt Schlesiens, die das kommunistische "Aufbauwerk" scheitern ließen. Trotzdem muß man den britischen Autoren vorhalten, Breslaus Geschichte tendenziell "entdeutscht" zu haben, obwohl sie für das 19. und 20. Jahrhundert keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß die polnische Minderheit in der Stadt quantitativ kaum ins Gewicht fiel und ökonomisch wie kulturell bedeutungslos war. In der sprunghaften, auf einen breiten Leserkreis zielenden Darstellungsweise, die sich viele Ungenauigkeiten und Fehler leistet, verschwimmen die klaren ethnographischen Grenzen freilich soweit, daß Breslau im Titel sogar unter blumigen Logo einer "europäischen" Stadt erscheinen kann (Die Blume Europas. Breslau - Wroclaw - Vratislawa. Die Geschichte einer mitteleuropäischen Stadt, Droemer Verlag, München 2002, 702 Seiten, Abb., 38 Euro).

Führungskorps. Wohl ein Drittel seiner tausend Seiten über das "Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes" (RSHA) hätte der an Jan Phillip Reemtsmas Institut für Sozialforschung tätige Hamburger Historiker Michael Wildt sich sparen können, denn aus der Darstellung der Mordaktionen der SS- und SD-Einsatzgruppen im Rücken der Ostfront lassen sich kaum Einsichten in die Motivation der Täter gewinnen, was Wildt sogar kleinlaut eingesteht. Der angebotene "unbedingte Wille zur Tat", den Wildt bei den jungen Akademikern um Reinhard Heydrich ausmacht, ist eine ebenso unzureichende Erklärung wie der Verweis auf soziologische Prägungen von Angehörigen der "überflüssigen Generation". Da er also mit der Analyse nicht über die Interpretation hinauskommt, die Ulrich Herbert in seiner Biographie des SD-Justitiars Werner Best angeboten hat ("Generation der Sachlichkeit"), bleibt an Neuem nur etwas Organisationsgeschichte sowie viel biographisches Material, welches sich jedoch auch in Teilbereichen mit Monographien der Best-Arbeit überschneidet (Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburger Edition, Hamburg 2002, 964 Seiten, Abb., 40 Euro).


 
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