© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/02 12. Juli 2002


Meldungen

Unbekannte Texte von Rudolf Borchardt

MÜNCHEN. Hätte man Rudolf Borchardts Bußpredigten aus den zwanziger Jahren beherzigt, gäbe es heute kein Pisa-Problem. Curricula nach dem Geschmack des hochfahrenden Zeitkritikers, den der "erbarmungswürdige Wort- und Wendungsvorrat Millionen deutscher Staatsbürger" zur Verzweiflung trieb, hätten vermutlich Legionen von kleinen Dante-Übersetzern und Shakespeare-Nachahmern hervorgebracht. Akzente. Zeitschrift für Literatur (Heft 2/02) hat Borchardt nun ein ganzes Heft mit bisher unveröffentlichten Texten aus dem Nachlaß gewidmet, die eine erste Bekanntschaft mit einer der "abstoßend-anziehendsten Figuren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts" vermitteln, des "Sprachwunders, des konservativen Monolithen, des hartnäckigen nach dem Europa der Nationen zurückgewandten deutschen Juden, des seismographischen Zeitzeugen und des Zeitopfers".

 

Auschwitz: Archivfunde bringen neue Einsichten

KÖLN. Vier Millionen Opfer im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zählte 1945 die sowjetische Untersuchungskommission. Diese Zahl, so Fritjof Meyer, Leitender Redakteur beim Spiegel, sei ein "Produkt der Kriegspropaganda". Auch die unter der Folter erpreßten Zahlen des Lagerkommandanten Rudolf Höß seien mittlerweile obsolet. Zwei neue, von dem im Londoner Prozeß gegen David Irving als Gutachter aufgetretenen kanadischen Architekturhistoriker Robert-Jan van Pelt, zu Tage geförderte Belege zur Kapazität der Krematorien bestätigten die vorhandenen Unterlagen über Einlieferungen ins Lager (Osteuropa, 5/02). Damit rücke die Dimension des Zivilisationsbruchs in den Bereich des Vorstellbaren: Eine halbe Million Menschen sei dem Genozid zum Opfer gefallen. Im langen Prozeß der Wahrheitsfindung spiele auch die unbelehrbare Clique revisionistischer "Leugner" eine produktive Rolle, da die etablierte Geschichtsforschung Auschwitz lange nicht als Forschungsthema akzeptierte, räumte Meyer ein.

 

Integration: Sprachliche Einheit ist uneuropäisch

BADEN-BADEN. Aus der Sicht der traditionell immigrationistischen juristischen Experten für das Ausländer- und Asylrecht beleuchtet die Bochumer Professorin Ulrike Davy das neue Zuwanderungsgesetz (Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, Heft 5/6-02). Davy analysiert, wie rechtliche Neuregelungen des Aufenthaltsgesetzes, des Familiennachzuges und der "Einreise- und Bleiberechte" aus der drohenden demographischen Katastrophe hineinführen in die offene Gesellschaft der "Arbeitswanderung". Soweit "Integrationsförderung" nicht mit wirksamen sozialrechtlichen Sanktionen wie Aufenthaltsentzug oder Sozialhilfekürzung durchzusetzen sei, stünde sie auch nicht im staatlichen Interesse.

 

Erste Sätze

Das Blatt wird eine gute Wirkung tun, es muß alle Weiber bezaubern.

Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo. Ein Trauerspiel, Leipzig 1774


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