© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002

 
Joachim Kardinal Meisner
Konsequent katholisch
von Alexander Barti

In der Diskussion über die politische Zukunft der in das "Kompetenzteam" von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber berufenen CDU-Bundestagsabgeordneten und Mutter eines unehelichen Kindes, Katherina Reiche, empfahl er der Union öffentlich, ihr "C" aus dem Parteinamen zu streichen; dies sei schlicht eine "Frage der Glaubwürdigkeit". Nicht zum ersten Mal hat der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, diese Empfehlung ausgesprochen. Schon 1992 kritisierte er die Haltung der Bürgerlichen in der Abtreibungsfrage und riet ihnen, das weltanschauliche Adjektiv "christlich" zurückzunehmen. Seidem ist der Seelenhirte - neben "Panzerkardinal" Ratzinger - zum Feindbild der Liberalen avanciert - und zum großen Gegenspieler seines Amtsbruders, Kardinal Lehmann.

Am ersten Weihnachtsfeiertag 1933 im schlesischen Breslau geboren, wurde Meisner nach der Vertreibung als 29jähriger in Erfurt zum Priester geweiht. Das Zweite Vatikanische Konzil 1962 bis 1965 verzichtete auf eine Verurteilung des atheistischen Kommunismus - vielleicht ist es diesem Umstand zu danken, daß Meisner 1969 an der päpstlichen Universität Gregoriana promovieren konnte.

Den späteren Papst Johannes Paul II. traf er 1975 in Erfurt, als er gerade zum Weihbischof gewählt wurde und Karol Wojtyla, damals noch Bischof von Krakau, lernte seinen Predigtstil zu schätzen. Nachdem sein polnischer Kollege zum Pontifex Maximus gewählt worden war, konnte Meisner 1980 die Ernennung zum Bischof von Berlin (Ost) entgegennehmen; 1983 kreierte ihn Papst Johannes Paul II. zum Kardinal. Sechs Jahre später - die Mauer stand noch - übernahm er mit der Erzdiözese Köln eines der wichtigsten Bistümer Deutschlands.

Anfang der neunziger Jahre profilierte sich Meisner durch seine Predigten für Soldaten: 1991 ermunterte er sie zum Eingreifen im Golfkrieg, 1994 befand er, daß "Soldaten den Himmel über der Erde bewahren" und somit den "Frieden der Menschen auf Erden schützen". Den polemischen Angriffen von Links entgegnete er, daß man nicht gegen den Krieg demonstrieren könne, wenn man zum "Mord an ungeborenen Kindern" schweige. Konsequent verglich Meisner die "chemische Abtreibung" mit dem Präparat Myfegyne mit dem Nervengift Zyklon B; die chemische Industrie werde mit der "Einführung einer Substanz zur Tötung einer bestimmten Menschengruppe rückfällig", wetterte der Kirchenfürst und löste damit eine heftige Debatte aus. Nebenbei lernte er den Leiter von Opus Dei Deutschland, Christoph Bockamp, kennen und schätzen, was ihm weitere Verdächtigungen einbrachte.

Daß Kardinal Meisner öffentlich die Politik von CDU/CSU als falsch kritisieren kann, ohne sofort von einem anderen Kardinal umgehend relativiert zu werden (Kardinal Sterzinsky und Bischof Algermissen sekundierten ihm sogar), deutet auf eine Trendwende unter den deutschen Bischöfen hin: der jahrzehntelange liberale Firlefanz hat erstmal ausgedient.


 
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