© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002

 
Freiburger Schildersturm
Political correctness: Geschichtsträchtige Straßennamen werden unter NS-Verdacht gestell
Tobias Wimbauer

Im vergangenen Jahr berichtete diese Zeitung (JF 35/01) von einer im südbadischen Freiburg alljährlich geführten Sommerlochdebatte. Im Freiburger Stadtteil Unterwiehre fühlten sich politisch korrekte Anwohner von geschichtsträchtigen Straßennamen gestört. Die Straßen im vom Volksmund trefflich so getauften "Heldenviertel", mit Namen wie Richthofen-, Weddigen-, Langemarck-, oder Gorch-Fock-Straße, wurden als "NS-Erbe" diffamiert.

Nun hat die Stadtverwaltung versucht, dem Ansinnen der allsommerlich aufgebrachten Bürger gerecht zu werden. Wie die örtliche Tageszeitung Badische Zeitung am 4. Juli berichtete, geschah dies ohne Absprache mit den Bürgervereinen. Auf eine Umbenennung der Straßen wurde verzichtet. Das wäre soweit begrüßenswert, wenn nicht die Straßenbenennungskommission der Breisgaumetropole beschlossen hätte, die Straßen mit neuen Schildern zu versehen, auf denen nun mehrzeilige "interpretierende Zusätze" prangen. In dieser amtlichen Gesinnungsprosa wird nun "Aufklärung" betrieben und zugleich den Anwohnern unterschwellig vor Augen geführt, daß sie mit "belasteter" Vergangenheit leben würden. So heißt es nun etwa bei der Richthofen-Straße: "In der NS-Zeit nach dem als 'Helden' des 1. Weltkriegs gefeierten Jagdflieger Manfred von Richthofen 1892-1918 benannt". Obgleich die Bezeichnung "Held" in perfide Anführungszeichen gesetzt ist, geht das den Bürgervereinen nicht weit genug, da damit der Namen "Heldenviertel" Fortbestand habe. Und zu Walter Flex ("Der Wanderer zwischen beiden Welten") heißt es: "In der NS-Zeit nach dem Heimatdichter Walter Flex 1887-1917 benannt. Mit den Krieg idealisierenden Schriften hatte er großen Einfluß auf nationalistische Kreise."

Den Vogel schoß die inzwischen von dem grünen Oberbürgermeister Dieter Salomon regierte Stadt mit dem Schild der Hermann-Löns-Straße ab: "In der NS-Zeit nach dem Heimatdichter Hermann Löns 1866-1914 benannt. Durch völkisches und rassistisches Gedankengut in seinen Schriften Wegbereiter der NS-Ideologie." Dafür gibt es gleichsam als Entschädigung die schöne Formulierung, daß Gorch Fock in seinen Dichtungen "Fischer und Seeleute als selbstsichere Tatmenschen darstellte." Der Vertreter des Bürgervereins, Klaus Winkler, zeigt sich in der Badischen Zeitung unverständig: "Fock war einer, der die agressive Flottenpolitik des Kaiserreichs propagandistisch unterstützt hat." Überhaupt sei, so Winkler, "eine derartige Mystifizierung hochrangiger Militärs zu 'Helden' ... einer demokratischen Gesellschaft unwürdig." In einem Kommentar der Badischen wird dann auch die fehlende Brandmarkung der Taten gerügt. Als ob es im Stadtteil Unterwiehre keine drängenderen Probleme gäbe.

Vor einigen Jahren wohnten im Heldenviertel viele der Familien der in Freiburg stationierten französischen Besatzungssoldaten. Es ist kaum vorstellbar, daß ein französischer Soldat an den Namen der von Freund und Feind hochgeehrten Helden des Ersten Weltkriegs Anstoß genommen hätte! Dafür braucht man nicht einmal die Erinnerung an das große Deutsch-Französische Frontkämpfertreffen in Freiburg im Jahre 1937 bemühen. Abzusehen ist, daß der Heldenstreit spätestens im Sommerloch 2003 in eine neue Runde gehen wird, zumal die Bürgervereine sich mit dieser Lösung nicht zufriedengeben wollen, sondern auf einer Umbenennung beharren.


 
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