© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002

 
Meteorhafter Aufstieg
Juan Diego Florez: Ein neuer Stern am Opernhimmel
Julia Poser

Eine Woche vor der geplanten Premiere von "Matilde di Shabran" bei den Rossini Festspielen 1996 in Pesaro sagte der Hauptdarsteller wegen Krankheit ab. Ein junger peruanischer Sänger, nur in einer Nebenrolle tätig, ergriff die Chance. Er rettete nicht nur die Aufführungen, sondern errang auch mit der schweren Partie des Carradino, die er bis dahin nicht kannte, einen beispiellosen Erfolg (die JF berichtete). Von diesem Moment an war Juan Diego Florez der neue und glänzende Stern am Rossini-Himmel.

Ricardo Muti holte ihn an die Mailänder Scala, und heute reißen sich die großen Opernhäuser in Wien, London und New York um den Mittzwanziger aus Lima. Florez hat einfach alles, was zu einer großen Karriere im Rossini-Tenorfach gehört: Eine strahlende, schier unbegrenzte Höhe, sichere Technik, große Musikalität - schon mit vierzehn Jahren komponierte er kleine Lieder, die er zur Gitarre sang -, Rossinis halsbrecherische Koloraturen meistert er mit spielerischer Leichtigkeit. Dazu kommt noch sein blendendes Aussehen und schauspielerisches Talent.

Die DECCA hat jetzt eine CD herausgebracht (470 024-2), auf der Florez ausschließlich Rossini-Arien singt. Er beginnt mit der Arie des Idreno aus der selten zu hörenden Oper "Semiramide", in welcher er eine Liebeserklärung in lyrischen Tönen mit leichter Melancholie umgibt. Mit dramatischen Ausbrüchen bringt Florez dagegen eine Arie des Rodrigo, Desdemonas früherem Verlobten, aus "Otello". Aus dem 2. Akt des "Barbiers von Sevilla" stammt die Arie des Grafen Almaviva "Cessa di piu resistere" (Widersetz dich nicht mehr), die wegen ihrer enormen Schwierigkeit meist auf der Bühne nicht gesungen wird. Mit souveräner Virtuosität und technischer Brillanz bewältigt Florez die Arie mit einem jubelnden "felicità" (Glückseligkeit) am Ende. Verführerische Zärtlichkeit erklingt in "Vieni fra queste braccia" (Komm in diese Arme) aus der "Diebischen Elster". Auch die Kavatine des Lindoro aus der "Italienerin in Algir" wird gewöhnlich gestrichen. Florez singt "Concedi amor pietoso" (gewähre, barmherzige Liebe) mit warmem, innigen Klang. Heroisch wird er in "Zelmira", einer leider selten gespielten Oper, in der er mit heldischer Attacke und unforcierten klaren Spitzentönen prunkt. Aus "La Donna del Lago" hören wir die betörende Arie "Oh fiamma soave", mit der Florez im letzten Sommer in Pesaro Begeisterungsstürme entfachte (JF 42/01). Hier legt der junge Sänger seine ganze schwärmerische Verliebtheit in "Das Fräulein vom See" hinein. Die Arie des Prinzen Ramiro aus "La Cenerentola" (Aschenputtel) beschließt diese überaus gelungene CD, in der Florez noch einmal ein gesangliches Feuerwerk mit seinem einzigartigen Tenor entzündet. Der Rossini-Spezialist Riccardo Chailly ist mit dem Orchestra Sinfonica di Milano ein idealer Begleiter.

Wer für Florez in Salzburg keine Karten mehr bekommt, der greife getrost zu dieser ausgezeichneten Aufnahme.


 
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