© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/02 26. Juli / 02. August 2002

 
Sieg des Kapitalismus
von Bernd-Thomas Ramb

Die Firma Worldcom, der zweitgrößte amerikanische Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen, hat "Gläubigerschutz" beantragt. Die mißverständliche Bezeichnung bedeutet nicht, daß die Gläubiger geschützt werden. Im Gegenteil dürfen die, die Worldcom Kredite gewährten, nicht auf verbleibende Vermögenswerte zugreifen und damit die Firma zerschlagen. Worldcom will Teile des Restvermögens selbst verkaufen, um den Schuldenberg von 41 Milliarden Dollar zu reduzieren und als kleineres Unternehmen nach drastischem Abbau von Arbeitsplätzen überleben zu können. Das mag vordergründig löblich erscheinen. Aus kapitalistischer Sicht wäre die konsequente Restverwertung des Unternehmensriesen ehrlicher.

Der so häufig gescholtene Kapitalismus richtet Sieg und Niederlage nicht nach der Unternehmensgröße aus, sondern nach ökonomischer Effizienz. Wenn sich die Weltöffentlichkeit nun im Falle Worldcom wegen der Dimension des Firmenversagens geschockt zeigt, versperrt dies den Blick auf das wesentlich größere Ausmaß bei der Summe der Firmenpleiten kleinerer Unternehmen. Auch die Aktionäre, die möglicherweise Worldcom-Aktien auf ihrem Höchststand von 64 Dollar kauften und nun vor einem Aktienwert von 9 Cent stehen, sollten nicht lamentieren. Im umgekehrten Fall wären sie begeistert und der moralischen Entrüstung notorischer Nichtaktionäre sicher. Worldcom beweist, daß der Kapitalismus funktioniert. Selbst in dem Fall, in dem eine Firma Bilanzen fälscht und Verluste in Milliarden-Dollar-Höhe verheimlicht. Wer die Risikowahl scheut, dem bleibt die Sparbucheinlage.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen