© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/02 26. Juli / 02. August 2002

 
PRO&CONTRA
Brauchen wir eine eigene deutsche Rüstungsindustrie?
Gerd Schultze-Rhonhof / Dr. Peter Lock

Ich halte das Outsourcen der Rüstungsindustrie aus
Deutschland für ein weiteres Zeichen deutschen Desinteresses an seiner eigenen Sicherheit. Die Rüstungsindustrie im eigenen Lande fordert die Entwicklung von Hochtechnologie, erhält Arbeitsplätze und Devisen, macht die Bundeswehr zum interessanten Kooperationspartner für die Streitkräfte anderer Staaten und verhindert die politische Abhängigkeit vom Ausland. Telefax zum Beispiel und Neigetechnik der Bahn sind Nebenprodukte deutscher Rüstungsindustrie.

Der Export von Panzern, U-Booten und anderen High-Tech-Waffen erhält noch immer deutsche Arbeitsplätze und ist noch immer ein Devisenbringer. Viele Waffen deutscher Herkunft sind nach wie vor Spitzenprodukte ihrer Art. Warum sollte Deutschland nun darauf verzichten? Wer im Ausland Waffen kauft - und er bekommt nicht die neuesten Modelle -, muß das in der Regel nicht nur mit Geld, sondern auch mit einer gefälligen Außenpolitik bezahlen. Warum sollte Deutschland sich das antun? Auch für die Bundeswehr ist der Verlust der Rüstungsindustrie im eigenen Land ein Schaden. Die Erprobung neuer Waffen und Geräte durch die Truppe noch im Entwicklungsstadium gibt Impulse für neue Einsatzgrundsätze und logistische Verfahren, welche genauso wie der Waffenbau modern gehalten werden müssen.

Bei Instandsetzungs- und Nachrüstungsarbeiten an technisch komplizierten Waffen hilft die deutsche Industrie bei ihren eigenen Produkten regelmäßig mit Ingenieur und Mechanikerteams. Solche Dienstleistungen von Auslandsfirmen, vor allem aus den USA, werden kompliziert und teuer.

Besonders bei Heereswaffen sind Gebrauchs- und Wartungsvorschriften in deutscher Sprache wichtig. Bei einem Panzer zum Beispiel sind das gut ein Dutzend dicke Bände. Bei Auslandskäufen müssen solche Vorschriften mit viel Zeit, Geld und Mühe erst ins Deutsche übersetzt werden. Warum sollte sich das Heer das antun?

 

Gerd Schultze-Rhonhof ist Generalmajor a. D.

 

 

Kriegsszenarien, für die man in Deutschland eine nationale Rüstungsindustrie vorhalten müßte, um zerstörtes Kriegsgerät zu ersetzen, sind Vergangenheit. Angesichts der extremen Verwundbarkeit hochkomplexer Industriegesellschaften ist ein konventioneller zwischenstaatlicher Krieg mit deutscher Beteiligung politisch undenkbar geworden, zumal die Entwicklung von weitreichenden Zerstörungsmitteln mit hoher Zielgenauigkeit Entfernung und Zeit als Dimensionen eines solchen Krieges aufgehoben haben.

Daher müssen deutsche Streitkräfte für die Aufgabenstellungen, die wir ihnen mit unserem Wählerwillen zuweisen, jederzeit angemessen ausgerüstet sein. Dabei wird es sich vor allem um friedenserhaltende und vielleicht in beschränktem Umfang um friedenschaffende Missionen handeln. Von der Vorstellung der gegenwärtigen amerikanischen Regierung, politische Probleme mit ultramodernen militärischen Mitteln interventionistisch zu lösen, wird sich Europa abkoppeln müssen. Daher kann die Hochrüstung der USA kein Maßstab für die Ausrüstung der Bundeswehr sein. Moderne militärische Organisation und Ausrüstung erfordert eine umfassende Nutzung des technischen Fortschritts im Bereich der zivilen Industrien. Nur noch ein kleiner Teil militärischer Beschaffung beruht auf militärspezifischen Technologien. In keinem Bereich sind Kapitalgüter so lange im Einsatz und notwendig entsprechend veraltet, wie in den Streitkräften.

Dies wird sich nur dann ändern, wenn das Beschaffungswesen von den Fesseln nationaler Rüstungskapazitäten, die noch immer einen politischen Anspruch auf Aufträge haben, befreit wird und die beste auf dem internationalen Markt verfügbare Ausrüstung für unsere Streitkräfte beschafft werden kann. Als Steuerzahler und Wähler haben wir einen Anspruch darauf, daß die Bundeswehr im gegebenen finanziellen Rahmen optimal ausgerüstet wird. Solange der Haushalt industrielle Überkapazitäten in Deutschland absichert, wird dies nicht der Fall sein.

 

Dr. Peter Lock ist Friedens- und Konfliktforscher in Hamburg.


 
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