© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/02 26. Juli / 02. August 2002

 
Bettina Röhl
Fischers Schatten
von Werner Olles

Die Rolle, die der heutige Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer in den siebziger Jahren bei den gewalttätigen Ausschreitungen der Frankfurter Spontiszene spielte, ist für die Strafverfolgungsbehörden bis heute immer noch unklar. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft und führender Polizeibeamter jener Zeit gibt es keine Beweise, daß Fischer die Grenzen zwischen militanter Hausbesetzerszene und Terrorismus jemals überschritten hat.

Die Journalistin Bettina Röhl sieht das ganz anders. Sie will nachweisen, daß Fischer am 10. Mai 1976 an einem Mordversuch an einem Polizeibeamten beteiligt gewesen sei. Damals wurden während einer Straßenschlacht aus Anlaß des Selbstmordes von Ulrike Meinhof Brandsätze auf ein Polizeifahrzeug geworfen, die den jungen Polizeiobermeister Jürgen Weber schwer verletzten. Unter den später Festgenommenen befand sich auch der 28jährige, berufslose Joseph Martin Fischer, der allerdings ohne dem Haftrichter vorgeführt zu werden, wegen mangelnden Tatverdachts wieder freigelassen wurde. Für Bettina Röhl steht hingegen fest, daß sich Fischer an der Ausführung des Attentats beteiligt hat. In einem Schreiben an die Ermittlungsbehörden wies sie seinerzeit darauf hin, daß sie selbst den Brandsatzanschlag auf Weber durch eigene Recherche "zu 96 Prozent" aufgeklärt habe.

Bettina Röhl, von Bild als "Fischer-Jägerin" denunziert, ist die 1962 in Hamburg geborene Tochter des ehemaligen Herausgebers des linksradikalen Magazins Konkret, Klaus-Rainer Röhl, und der späteren RAF-Terroristin Ulrike Meinhof. 1970 hatte Ulrike Meinhof ihre damals sieben Jahre alten Zwillingstöchter Bettina und Regine verlassen und war in den RAF-Untergrund abgetaucht. 1995 hat Bettina Röhl in einer vielbeachteten Spiegel-Titelstory "über ihre Kindheit im Schatten des Terrorismus" darüber berichtet. Sie hatte inzwischen Germanistik und Geschichte studiert, bei Tempo und "Spiegel TV" als Redakteurin gearbeitet. Furore machten jedoch die Bilder des prügelnden und tretenden einstigen Frontmanns im Frankfurter "Häuserkampf", des heutigen Außenministers Fischer, die über Röhl an den Stern gelangten. Es folgten ihre Strafanzeige gegen Fischer und ein Offener Brief an Bundespräsident Rau, in dem sie wegen der Causa Fischer einen "Staatsnotstand" konstatierte und den Bundeskanzler aufforderte, dazu nicht länger zu schweigen.

Ihre Attacken gegen Fischer setzt Bettina Röhl bis heute ungebrochen fort, zum Beispiel im Deutschland-Magazin der CDU-nahen "Deutschland-Stiftung". Dieser Furor mag einerseits zu erklären sein aus dem Trauma ihrer Kindheit, andererseits aber auch aus den halbseidenen Rechtfertigungsbemühungen Fischers, die nirgendwo auch nur eine halbwegs ehrliche oder gar kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit erkennen lassen, aber sehr wohl Auskunft geben über die starren Mentalitätsstrukturen des immer noch beliebtesten Politikers dieser Republik.


 
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