© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/02 26. Juli / 02. August 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Opfer der Okkupation und der Revolution
Carl Gustaf Ströhm

Ein slowenischer Freund hatte mich aufmerksam gemacht: Ich solle am kommenden Sonntag unbedingt auf die Anhöhe von Lajse, unweit der kleinen slowenischen Stadt Cerkno kommen. Dort werde es ein Totengedenken für 15 Opfer des Kommunismus geben, die am 3. Februar 1944 von den Tito-Partisanen ermordet wurden.

Zunächst bot sich ein idyllisches Bild: das Panorama eines Bilderbuch-Sloweniens - grüne Matten, Wälder, dahinter das Panorama der Alpen. Der Ort aber war einst ein Platz des Schreckens und des Todes.

Erstaunlich, daß sich an einem schönen Sommertag mehrere tausend Slowenen eingefunden hatten: Autobusse aus Laibach, unzählige Pkws aus dem slowenischen Küstenland und aus Neu-Görz (Nova Gorica). Der Bischof von Koper (Capodistria), Methodius, forderte während einer Messe unter freiem Himmel dazu auf, "für die Opfer der Okkupation und der Revolution" zu beten. Niemals, so sagte der Bischof, dürfe es wieder Krieg - und niemals wieder Revolution geben. Das 20. Jahrhundert sei das Zeitalter des "Abfalls von Gott" gewesen.

Nach dem Gottesdienst pilgerten die Menschen zur Öffnung einer Höhle. Hier hatten die brutalen kommunistischen Henker ihre Opfer hineingeworfen - einige wurden vorher mit Genickschuß erledigt, andere wurden lebend in die Tiefe geworfen.

Ein Gedenkstein nennt die Namen der Opfer - unter ihnen ein junger Geistlicher, Kaplan Ladislav Piscanc, noch nicht dreißig Jahre alt. "Opfer kommunistischer Gewalt - Lajse 3.3.1944" steht auf einer Gedenktafel an der Todesstätte.

Mit den Opfern, darunter sechs Frauen, hatte es folgende Bewandtnis: nach der Kapitulation Italiens 1943 besetzten kommunistische Partisanen das tief in den Bergen gelegene Städtchen Cerkno und errichteten dort eines ihrer Zentren samt Politschule. Eine deutsche Kampfgruppe überraschte die Partisanen, nahm Cerkno im Handstreich und fügte ihnen schwere Verluste zu. Doch die deutsche Truppe zog danach weiter - die Partisanen kehrten zurück.

Nun aber geschah das Unfaßbare: die Partisanen richteten ihre Wut über die verlorene Schlacht gegen die einheimische Bevölkerung, der sie "Verrat" und "Kollaboration mit den Okkupanten" vorwarfen. Fünfzehn Frauen und Männer, meist Angehörige der Intelligenzschicht, an erster Stelle der Kaplan, wurden verhört, im Schnellverfahren zum Tode verurteilt und in die Höhle von Lajse geworfen. Die Gegend war bis zur slowenischen Unabhängigkeit Sperrgebiet und jahrzehntelang traute sich keiner der Bauern, auch nur ein Wort über die Höhle zu sagen. Auch heute, über ein Jahrzehnt nach Ende des Kommunismus, haben viele Menschen Angst - nicht nur in Slowenien.

Auf der Kreuzwegprozession spricht jemand im Namen der Ermordeten: "Warum gerade ich? Meine Mutter hat mich in Windeln gewickelt - und jetzt werden meine Hände mit Draht gefesselt. Warum gerade ich, wenn es so viele andere gibt?"

Die Tragik der Opfer von Lajse liegt darin, daß sie wirklich unschuldig waren. Sie hatten mit der deutschen Besatzung nichts im Sinn. Im Gegenteil: einigen der Erschossenen wurde zum Verhängnis, daß sie zu viel Symphatie für einige britische Verbindungsoffiziere bei den Partisanen gezeigt hatten. Das paßte den Kommunisten nicht. Die KP-Führung sprach von "weißen Banditen", die man liquidiert habe. Das katholische slowenische Volk aber betrachtet die Ermordeten als Märtyrer.


 
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