© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/02 16. August 2002

 
Beschlossene Sache
Die USA werden den Irak angreifen, um Saddam Hussein zu stürzen
Ivan Denes

Es scheint eine europäische, besonders aber eine deutsche Eigenheit zu sein, vor jeder Militäraktion Schwarzmalerei zu betreiben. Man denke nur an den Chor der Unkenrufe vor dem von den USA angeführten Angriff auf das afghanische Taliban-Regime. Man erinnerte mahnend an die grausamen Erfahrungen der Sowjetarmee 1979 bis 1989 in Afghanistan, warnte vor dem Ausbruch eines Glaubenskrieges oder gar eines Kreuzzuges. Eine ähnliche Panik hat jetzt bundesdeutsche Politiker und Publizisten - allen voran den um seine Wiederwahl bangenden Bundeskanzler - erfaßt, seit die USA immer offener einen Angriff auf den Irak ankündigen.

Gewiß, parlamentarische Hinterbänkler oder Kolumnisten haben meist keinen Zugang zu der Informationsfülle, mit der Gerhard Schröder und sein Außenminister Fischer von den deutschen Botschaften und vom Bundesnachrichtendienst täglich gefüttert werden. Doch die Bundesregierung weiß seit geraumer Zeit, daß es in Washington längst beschlossene Sache ist, den irakischen Präsidenten Saddam Hussein mit militärischer Hilfe zu stürzen. Es ist nur noch eine Frage des Zeitpunkts, wann der Marschbefehl vom Weißen Haus gegeben wird. Um so unglaubwürdiger ist die Absage des "uneingeschränkt solidarischen" Kanzlers bezüglich einer deutschen Teilnahme an einer Anti-Irak-Offensive - selbst im Falle einer entsprechenden UN-Resolution. Aber die Grünen haben es ja vorgemacht: vor dem Regierungseintritt 1998 waren Soldaten noch "Mörder", vier Jahre später Kämpfer für die Rechte afghanischer Frauen.

Die USA haben Milliarden in die Vorbereitungen des Irak-Engagements investiert - und bekanntlich investiert man nicht, ohne eine Rendite zu erwarten. Hektisch sind neue Stützpunkte der US-Air Force und der Navy entstanden, vom Horn von Afrika und der Straße von Bab-el-Mandeb (das Tor der Tränen) bis in den Kaukasus und in den kurdischen Autonomiegebieten des Nordirak, wo allein sechs Feldflughäfen und ein alter, großer Zivilflughafen umgebaut und hergerichtet wurden. Riesige Mengen von Treibstoff und Mineralwasser wurden im arabischen und südasiatischen Raum gekauft, die US-special forces sind längst in der Wüste an der jordanisch-irakischen Grenze und im kurdischen Nordirak in Position gegangen. Erst in der vergangenen Woche sind Teile der 49. Panzerdivision der US-Armee nach Kuwait gebracht worden.

Die Mobilmachungslisten der US-Reservisten sind bekannt geworden, gleichermaßen wie der Befehl an die britische 16. Luftlandebrigade, die mit Apache-Hubschraubern ausgerüstet ist. Sie soll für einen Einsatz "vor Weihnachten" bereitstehen. Der britische Flugzeugträger Arc Royal wurde "zu Übungen" ins Mittelmeer abkommandiert, während in London Politiker und Publizisten aller Couleur Premier Tony Blair vor einer Irak-Invasion warnen. Die seit Jahren eingemotteten schweren Waffen in israelischen und kuwaitischen Lagern reaktiviert, die US-Ölreserven wurden bis zur Kapazitätsgrenze aufgefüllt. Die Liste der in den Mittleren Osten verlegten Einheiten der US-Streitkräfte ist bekannt. Die Aufzählung der Vorbereitungsaktionen könnte hier beliebig verlängert werden.

Die vereinten Generalstabschefs haben gleichermaßen wie führende demokratische Senatoren ihre Skepsis aufgegeben. Sogar der im Iran residierende Oberste Rat der (schiitischen) Islamischen Revolution im Irak hat am 9. August an einer Beratung der gesamten irakischen Diaspora in Washington teilgenommen.

Die Warnungen, der ganze Mittlere Osten könnte durch den Angriff auf Saddam ins Chaos stürzen, sind unrealistischer als die umgekehrte Perspektive. Viel wahrscheinlicher ist, daß das irakische Regime in wenigen Wochen zusammenbrechen wird. Und der Sturz einer mörderischen Tyrannei könnte sich sehr wohl als eine einmalige Gelegenheit erweisen, den Versuch zu unternehmen, in einem moslemischen Land eine Demokratie aufzubauen.

Wenn der Islam überhaupt mit dem Modell abendländischer Demokratie kompatibel ist, könnte dafür der Sturz Saddam Husseins eine einmalige Chance bieten. Auch wenn den Deutschen an den Amerikanern vieles zu Recht mißfällt - die USA haben im 20. Jahrhundert gleich zweimal - in Deutschland und in Japan - den Beweis erbracht, daß sie in der Lage sind, im Land eines zerschlagenen Gegners eine Demokratie aufzubauen.

Unter den Zukunftsvarianten eines zukünftigen föderalen Iraks, scheint eine der realistischsten die Restaurierung der Haschemiten-Monarchie zu sein. Bei der letzten Londoner Konferenz der exil-irakischen Führer war auch der jordanische Prinz Hassan zugegen sowie der irakische Thronanwärter Ali Bin Hussein. Sollte es zu einer Föderalisierung in einer demokratischen, konstitutionellen Monarchie kommen - unter dem irakischen oder dem jordanischen Zweig der Haschemiten -, könnte dies auch die Israelis dazu bewegen, den Forderungen nach Wiederherstellung der Grenzen von 1967 nachzukommen: das besetzte Westjordanland war bis zum Sechs-Tage-Krieg Teil Jordaniens. Anstatt des vermeintlichen Chaos könnte der gewaltsame Sturz Saddam Husseins den Anstoß zu einer allgemeinen Befriedung und zu einem Dominoeffekt zugunsten der Demokratie geben.


 
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