© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/02 16. August 2002

 
PRO&CONTRA
Rentenkürzung für Kinderlose?
Franz-Josef Breyer / Peggi Liebisch

Man müßte eine Stufe höher gehen! Die Aussage ist. haben wir Kinder oder Kapital für die Rentenversicherung, um im Alter leben zu können? Diese Frage wird jedoch von den großen Parteien umgangen.

Die Aufzucht der Kinder ist zu 80 Prozent das private Vergnügen der Eltern. 20 Prozent sind Gemeinschaftsausgaben - aber auch Steuern der Eltern. Der Gewinn ist sozialisiert. Nun müßte man entweder alles privatisieren oder sozialisieren. Wir haben jetzt eine Zwischenstufe, über die nicht gesprochen wird. Mit dem Ergebnis, daß kluge, junge Frauen kinderlos bleiben und die Frauen die Kinder bekommen, klaglos hinnehmen, daß sie im Alter arm sind und ihre Kinder für andere die Rente erarbeiten müssen.

Das harte Beispiel ist die Mutter mit drei Kindern, die kein eigenes Einkommen, keinen eigenen Rentenanspruch hat. Deren Kinder zahlen die Rente und Sozialabgaben für die anderen. Sie bekommt ein Almosen davon - von ihren eigenen Kindern. Entweder braucht man eine Kindergeldkasse, in die alle einzahlen und aus der die Kinder finanziert werden. Das wäre die Sozialisierung der Kinderaufzucht. Oder man macht es ganz privat, dann müßten die Leute das Geld, was in Kinder investiert würde, auf der Bank anlegen, um im Alter davon zu leben. Der Geburtenrückgang wird die Sozialsysteme zerstören und dieses Problem muß gelöst werden.

Wir brauchen - wie die Franzosen - eine natalistische Politik. Doch dieses Problem läßt sich rein politisch nicht lösen, da sie ja einen Besitzstand angreifen müssen, aber Eltern mit Kindern keine Wählermehrheit darstellen. Familien mit Kindern sind 50 Prozent der Wohnbevölkerung, aber nur 30 Prozent der Wahlbevölkerung. Die Kinderlosen haben einen finanziellen Vorteil, aber dafür soll man sie doch nicht bestrafen. Diejenigen, die keine Kinder haben, sollen ihren Geldvorteil lediglich anlegen (in einer Lebensversicherung) oder auszahlen (in die Sozialkassen).

 

Dr. Franz-Josef Breyer ist Bundesvorsitzender der Familien-Partei.

 

 

Kinder erziehende Frauen und Männer sollten vom Rentensystem belohnt werden, denn sie sind es, die die zum Erhalt des Umlageverfahrens beitragen. Es ist schon bitter genug, daß sie aufgrund ihrer lückenhaften Erwerbsbiographie wegen Kindererziehung im Alter arm zu werden drohen. Kinderlosen die Rente zu kürzen, wäre der falsche Weg.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2001 macht die Vorgabe: "Kinderlosen, die lediglich Beiträge gezahlt, zum Erhalt des Beitragszahlerbestandes aber nichts beigetragen haben, erwächst daher ein Vorteil." Ohne weiteres kann dieser Spruch, der sich auf die Pflegeversicherung bezog, auch auf die Rente angewandt werden - beide "Versicherungen" basieren auf dem Umlageverfahren.

Auch das Rentenrecht geht von der Annahme aus, daß Frauen und Männer bereit sind, Kinder aufzuziehen. Weil diese Voraussetzung nicht mehr in dem Maße gilt wie früher, fordert der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, daß Frauen und Männer, die durch Elternschaft doppelt zum Erhalt des Umlageverfahrens beitragen, von der vorgesehenen Senkung des Rentenniveaus ausgenommen werden. An Stelle einer Kürzung der Rente bei den Kinderlosen sollten jedoch Mütter und Väter in ihren Beiträgen zur Rente entlastet werden. Außerdem müßte die Anerkennung der Kindererziehungszeiten deutlich erhöht werden: Statt 3 Jahre 16 Jahre. Pro Jahr ein Entgeltpunkt, das sind pro erzogenes Kind 16 x 25 Euro = 400 Euro.

Das gilt übrigens auch für die Riester-Rente: Im Grundsatz muß es jeder/m Kinder erziehenden Frau/Mann möglich sein, sich am System der zusätzlichen Altersvorsorge zu beteiligen, unabhängig von Ehe oder Erwerbstätigkeit. Nur so ist eine sozialpolitisch vertretbare Berücksichtigung der Kindererziehung umzusetzen.

 

Peggi Liebisch ist Bundesgeschäftsführerin des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter, VAMV e.V.


 
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