© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/02 16. August 2002

 
Integration fehlgeschlagen
Ausländerpolitik: Hessische Sozialministerin stellt "Migrationsreport" vor
Werner Olles

Der am 5. August von der hessischen Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) in Wiesbaden vorgestellte "Migrationsreport Hessen 2002" ist von der CDU/FDP-Landesregierung als Bestätigung ihres strikten Integrationskurses, der die Förderung der deutschen Sprachkenntnisse bei ausländischen Kindern in den Mittelpunkt stellt, gewertet worden. Tatsächlich wecken die Resultate des Berichts jedoch Zweifel, ob aufgezwungene Förderkurse Deutsch in der Schule bei Kindern, deren Eltern die deutsche Kultur offensichtlich ablehnen und es vorziehen, in einer geschlossenen türkischen oder marokkanischen Parallelgesellschaft zu leben, eine positive Wirkung haben.

So gab es bei der Rückstellung schulpflichtiger ausländischer Kinder wegen mangelnder Beherrschung der deutschen Sprache im Schuljahr 2000/01 einen neuen negativen Rekord. Erstmals erreichte dieser jetzt über 20 Prozent, wobei die Ministerin in den kommenden Jahren noch mit einem weiteren Anstieg dieser Quote rechnet. In den Haupt- und Sonderschulen ist der Anteil ausländischer Schüler mit 28 und 26 Prozent um vieles höher als ihr Anteil an der Gesamtschülerschaft, der bei 15 Prozent liegt. An den Gymnasien beträgt die Quote dagegen nur sieben Prozent und stagniert zudem seit Mitte der neunziger Jahre. Und während von hundert deutschen Schülern 31,5 Prozent das Abitur ablegten, waren es nur elf Prozent bei den Ausländern. Die mittlere Reife erreichten 38 Prozent der deutschen Schüler, aber nur 28 Prozent der Ausländer und den Hauptschulabschluß 22 Prozent Deutsche und 36 Prozent Ausländer. Ohne Hauptschulabschluß blieben nur neun Prozent deutsche, aber fast 25 Prozent der ausländischen Schüler.

Dies hat weitreichende Folgen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Von 100 deutschen Berufsschülern haben 89 einen Ausbildungsvertrag, bei den Ausländern sind es nur 70, wobei nur die erfaßt wurden, die überhaupt eine Berufsschule besuchten. In diesem Zusammenhang sprach die Ministerin von einer "ungenannten Dunkelziffer" bei jenen ausländischen Jugendlichen, die noch nie eine Berufsschule von innen gesehen haben. Allerdings gibt es zwischen den verschiedenen Nationen der Zuwanderer ein erhebliches Gefälle. Spanische, italienische und kroatische Jugendliche kommen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz in etwa auf die gleiche Erfolgsquote wie die deutschen, die türkischen Jugendlichen liegen mit 68 Prozent weit darunter.

Ähnlich liegen die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt. Während bei den Deutschen 68 Prozent in Lohn und Brot stehen, sind es bei den Ausländern nur 56 Prozent. Mit 14 Prozent ist die Arbeitslosenquote bei den Ausländern mehr als doppelt so hoch wie bei den Deutschen mit sechs Prozent. Bei den Sozialhilfempfängern beträgt der Ausländeranteil gar etwa 30 Prozent, während er in den siebziger Jahren noch bei 1,3 Prozent lag.

Insgesamt leben in Hessen 730.500 registrierte Ausländer, das sind zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung. Jeder vierte stammt aus der Türkei, es folgen die früheren klassischen Anwerbeländer Italien, Spanien und Griechenland. 77 Prozent der Ausländer leben in Südhessen, in Offenbach und Frankfurt beträgt ihr Anteil 26 und 25 Prozent. Bei diesen Zahlen bleiben die Doppelpaß-Ausländer und die illegal hier Lebenden unberücksichtigt.

Zwar gehen die Integrationsdefizite auf die Ausländerpolitik der sechziger und siebziger Jahre zurück, wenn jedoch Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Bundesregierung eine Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für zusätzliche ausländische Arbeitskräfte anstreben, ist dies angesichts der Massenarbeitslosigkeit sozial-, arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitisch verantwortungslos. Die demographisch bedingten Engpässe auf dem Arbeitsmarkt in den nächsten Jahrzehnten würden sich durch geeignete familien- und sozialpolitische Maßnahmen auch ohne Zuwanderung auffangen lassen. Dazu wäre jedoch eine Verschärfung der Ausländergesetzgebung notwendig, vor allem aber die Bereitschaft der Zuwanderer, sich den in Deutschland geltenden Werten und Normen anzupassen sowie alles zu tun, um sich zu integrieren - angefangen beim Erlernen der Sprache.


 
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