© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/02 16. August 2002

 
Tendenzklausel
Katholische Kirche: "Homo-Ehe" als Kündigungsgrund
Georg Alois Oblinger

Wieder einmal stehen sich Vertreter der katholischen Kirche und Bündnis 90/ Die Grünen mit konträren Auffassungen gegenüber, diesmal beim Thema gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und kirchliches Arbeitsrecht.

Schon bei der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes vor einem Jahr hat die Deutsche Bischofskonferenz ihre Sorge um die Wertschätzung der Ehe ausgedrückt: Mit dem Gesetz werde einer "Verkennung der herausragenden Bedeutung der Ehe für die Einzelnen und das Gemeinwesen" Vorschub geleistet. Nach Auffassung und Lehre der Kirche ist die Ehe "die Lebens- und Liebesgemeinschaft von Mann und Frau und darauf angelegt, Kindern das Leben zu schenken".

Nun hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) in einer Erklärung vom 24. Juni dieses Jahres mitgeteilt, daß Mitarbeiter im Kirchendienst - ob sie der katholischen Kirche angehören oder nicht - durch das Eingehen einer solchen Lebenspartnerschaft einen "schwerwiegenden Loyalitätsverstoß" begingen. Für diesen Verstoß sei eine "Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen" vorgesehen. Diese Erklärung wurde in den letzten Tagen in den Amtsblättern mehrerer deutscher Diözesen veröffentlicht.

Natürlich blieben Reaktionen des Lesben- und Schwulenverbands Deutschlands (LSVD) sowie der Grünen nicht aus. Christa Nickels, Ausschußvorsitzende für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und Volker Beck, Grünen-Bundestagsabgeordneter und gleichzeitig Sprecher des Schwulenverbandes in Deutschland nannten die Erklärung der Bischofskonferenz "ein Dokument der Diskriminierung und Scheinheiligkeit". Die ausgesprochene Kündigungsdrohung bezeichneten sie als einen "Akt der Herzlosigkeit und Doppelmoral".

Kirchenvertreter hingegen berufen sich auf die "Tendenzklausel", die den kirchlichen Gemeinschaften in Artikel 140 des Grundgesetzes zugesichert wird. Darin wird dem Artikel 137 der Weimarer Verfassung weiterhin Gültigkeit bescheinigt, der der Kirche ein eigenes Dienst- und Arbeitsrecht garantiert.

Bisher ist unter den 4.400 Paaren, die sich als gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft haben eintragen lassen, noch kein Fall eines kirchlichen Mitarbeiters bekannt. Doch schon jetzt wurde von seiten der Kirche das Procedere für den Eventualfall geklärt. "Nach Artikel 5 des kirchlichen Dienstrechts sind das Bistum oder ein anderer kirchlicher Arbeitgeber zunächst dazu angehalten, die Eintragung der Partnerschaft zu verhindern oder aufzuheben", sagte DBK-Sprecherin Martina Höhns. Sollte das keine Wirkung zeigen, folgt als letzter Schritt die Kündigung.

Die Klage der Grünen, diese Regelung käme für Homosexuelle faktisch einem Berufsverbot gleich, entkräftete die Pressesprecherin der Deutschen Bischofskonferenz gegenüber der JUNGEN FREIHEIT mit dem Hinweis auf die pluralen Trägerstrukturen im sozial-caritativen Bereich der Bundesrepublik Deutschland. Die Kirche sei zwar einer der größten Arbeitgeber, habe aber kein Monopol inne. Weiter warfen die Bündnisgrünen der Kirche vor, die Erklärung ergebe auch moralisch keinen Sinn. Wörtlich fragten sie: "Warum ist ein homosexueller Mensch, der in keiner eingetragenen Partnerschaft lebt, loyaler gegenüber der Kirche als ein Homosexueller in einer eingetragenen Partnerschaft?" Auf diese Frage antwortete DBK-Sprecherin Höhns im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT: "Natürlich verurteilen wir auch homosexuelle Praktiken. Doch durch das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft wird diese Haltung explizit manifestiert."

Jeder kirchliche Angestellte unterzeichne bei seiner Einstellung einen Vertrag, in dem er sich verpflichtet, daß seine persönliche Lebensführung mit der Lehre der Kirche übereinstimmt. "Als kirchlicher Mitarbeiter arbeitet er auch mit am Verkündigungsauftrag der Kirche." Höhns gebrauchte einen anschaulichen Vergleich: Auch ein Redakteur muß die Linie des Herausgebers der Zeitung einhalten, wenn er weiterhin dort beschäftigt bleiben will. Illoyalität im Reden oder Handeln zieht die Kündigung nach sich.


 
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