© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/02 16. August 2002

 
CD: Pop
Regionalgröße
Holger Stürenburg

Die meisten Radiostationen im norddeutschen Raum klingen auf fatale Weise gleich, die Musikprogramme werden bestimmt von Einheitspop, Dancefloor-Eintagsfliegen, Boygroups und Diven - unterlegt mit nervtötendem Moderatorengequatsche. Dem Anhänger traditioneller Rock- und Popklänge ohne Discobeats und Synthesizer-Lärm wird radiotechnisch im Norden Deutschlands wenig geboten. Gäbe es da nicht "Radio NORA", einen in Kiel ansässigen Sender, der sich vor einigen Jahren von Radio Schleswig-Holstein (RSH) abgespalten hatte - und nun eben diese Musikfreunde mit anderen Klängen erfreut. Dort werden vor allem Oldies der Sechziger, Siebziger und Achtziger gespielt.

Und die gibt es rund um die Uhr: Klassiker zum Mitsingen von den Rolling Stones, den Kinks oder von Bryan Adams, gemischt mit Hits von Smokie, ABBA oder Simon & Garfunkel. Auch weniger Bekanntes, aber durchaus Eingängiges, wie "Winds of Chance" von Mike Batt (1980) oder "I feel like Buddy Holly" von Alvin Stardust (1984) wird häufig aufgelegt. Es überwiegen ruhigere Popsongs und Balladen, aber auch Rock'n' Roll kommt bei "Radio NORA" nicht zu kurz.

Ein Höhepunkt dieses Programms ist die "Oldieparty", jeden Samstag von 20 Uhr bis Mitternacht, die von Dave Ashby moderiert wird. Der gebürtige Engländer lebt seit 1988 in Norddeutschland und tritt mehrmals im Monat in der Irish-Pub-Disco "Thomas Read" auf der Reeperbahn auf, wo er hunderte jugendlicher Nachtschwärmer mit Oldies und eigenen Songs, vorgetragen zur akustischen Gitarre, begeistert. Außerdem ist er auf fast jedem großen Oldiefestival zu Gast. Dort verkürzt er, ebenfalls solo mit Gitarre, die Umbaupausen zwischen den Starauftritten mit aufmunternden Gesängen. Auch bei der letzten "Radio NORA"-Oldieparty im Mai 2002 in Bad Segeberg erfreute er die über 10.000 Zuschauer.

Doch sollte man Dave Ashby nicht auf das Nachspielen von Oldies reduzieren, denn der sympathische Musiker hat zwischen 1987 und 1997 auch eine Vielzahl eigener Songs aufgenommen, die nun erstmals auf einem Best-of-Sampler vorliegen. "Looking back" beinhaltet 16 Lieder und zwei Maxiversionen als Bonustracks. Während Ashby's frühe Songs "A Tear for the High Star" (1987) oder "Sorrow" (1988) noch klangen wie eine Mischung aus Rick Astley und Engelbert, so fand der Marc Bolan-Fan nach und nach seine Eigenständigkeit, die sich besonders in den Titeln "I'll never cry", "I love you" (beide 1990) oder "Only for you" (1993) zeigt. Tatsächlich wäre "I'll never cry" zur Jahreswende 1990/91 beinahe ein Hit geworden. Aber die gekonnte Verbindung von eingängigem Poprock mit düsteren New-Wave-Anklängen war 1990 musikgeschichtlich ziemlich fehl am Platze. So reichte es nicht für den Durchbruch.

Mitte der 1990er spielte Ashby gelungene Neufassungen der Oldies "I can see clearly now" (Original von Johnny Nash) und "When you walk in the Room" (Del Shannon) ein, die ebenfalls auf "Looking back" zu finden sind. 1997 gab es das folkloristische "White Cliffs of Dover" und eine etwas fade Fassung des Cranberries-Hits "Zombie", bevor sich Ashby mangels kommerziellen Erfolges auf seine Engagements im "Thomas Read" und bei Oldiefestivals beschränkte.

Dave Ashby verfügt nicht nur über eine kraftvolle Stimme, sondern ist auch ein intelligenter Songschreiber, dessen Kompositionen fast durchgehend ansprechend und anregend geraten sind. Über die Hälfte der auf "Looking back" versammelten Titel sind Popsongs der oberen Mittelklasse - aber ihnen fehlt (vielleicht mit Ausnahme von "Cry" und "Dover") eben jenes Fünkchen musikalische Genialität, die aus guten Liedern Hits für die Ewigkeit macht.


 
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