© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/02 16. August 2002


Neue Technologien: Populationsgenetik
Juden und Palästinenser gehören zusammen
Angelika Willig

Der Begriff der Rasse ist bisher durchaus schwammig gewesen. Die nationalsozialistische Judenverfolgung leitete die Zugehörigkeit zur "jüdischen Rasse" von der Religionszugehörigkeit der Großeltern ab. Trotz des kulturellen Kriteriums wurde auf der Rasse als einer biologischen Kategorie bestanden. Wem dieser Widerspruch unerträglich erschien, wandte sich den berüchtigten Schädelmessungen zu. Diese stimmten jedoch mit den Kirchenbüchern kaum überein und erst recht nicht mit der Gesinnung. Hätte man den Phänotyp tatsächlich zum Kriterium des nationalsozialistischen Menschen gemacht, wären zuerst die Führer selber abberufen worden.

In akademischer Stille findet heute wieder eine Art Rasseforschung statt, und deren Ergebnisse sind dank der modernen genetischen Methoden unangreifbar. Das Genom ist eindeutig gekennzeichnet. Findet man irgendwo ein paar Zellen, etwa in Form von Hautabschürfungen, so läßt sich schnell nachweisen, ob es sich um menschliche Zellen handelt oder nicht. Es läßt sich auch individuell bestimmen, zu welchem Menschen die Zellen gehören. Als "genetischer Fingerabdruck" hat sich diese Methode kriminalistisch bereits bewährt. Drittens ist abzulesen, welcher ethnischen Gruppierung der Mensch angehört. Den biologischen Unterschied zwischen Juden und Palästinensern kann man allerdings nicht ausmachen, weil es nach heutigem Stand der Erkenntnis keinen gibt. Die Völker der Araber und der Semiten gehen beide auf eine einzige Bevölkerung zurück, die vor 10.000 Jahren in Ostafrika lebte und sich von dort nach Norden ausbreitete. Seitdem ist keine Mutation mehr eingetreten, an der sich die Weiterverästelung festmachen ließe. Der Phänotyp verliert für die Zuordnung weitgehend sein Gewicht. Wie auch immer ein Mensch aussieht, der Gentest zeigt seine Herkunft an.

"Populationsgenetik" nennt sich die Wissenschaft, die auch festgestellt hat, daß Großbritannien bis heute in zwei "Populationen" zerfällt, die Kelten im Norden und die erfolgreicheren Angelsachsen im Süden. So tragen walisische Männer charakteristische DNA-Sequenzen auf dem Y-Chromosom, die auch bei den ursprünglich ebenfalls keltischen Basken auftreten. Südenglische Männer hingegen ähneln genetisch den Norwegern und Niederländern. Die "Populationsgeschichte" erforscht die geschichtlichen Ursachen solcher Verschiebungen, also Wanderungsbewegungen, Geburtenüberschüsse, ethnische Säuberungen. Am University College London hat im Juni eine große Tagung zum Thema "Population history: genes, language and culture" stattgefunden. Das klingt betont harmlos, so als ob der genetische Aspekt nur neben dem kulturellen gleichberechtigt berücksichtigt werde. Doch das Genom hat eine lästige Eigenschaft: es ist durch Toleranzangebote nur schwer zu erreichen. Es sei denn, sie wären im A-T-C-G-Code verfaßt.


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