© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/02 23. August 2002

 
Der Atlantiker verläßt Schröders Pfade nicht
CDU: Mit seiner Haltung der "uneingeschränkten Solidarität" mit den USA konterkariert Wolfgang Schäuble den Wahlkampf der Union
Christian Roth

Die Oppositionsparteien CDU und CSU präsentieren sich mit Beginn der heißen Wahlkampfphase wie eine Wundertüte. Für jeden Wähler ist etwas dabei. Besonders in der Außenpolitik. Sucht man in den Äußerungen der Unions-Protagonisten nach einer klaren Position in der Frage eines möglichen Irak-Einsatzes der Bundeswehr, bleibt nur die Feststellung: Die deutschen Christdemokraten haben keine.

Und das könnte trotz eines derzeit üppigen Vorsprungs in den Meinungsumfragen zu einer Steilvorlage für die SPD von Bundeskanzler Gerhard Schröder werden. "Der bayerische Ministerpräsident hat offenbar seine Truppen nicht im Griff", feixte Verteidigungsminister Peter Struck dieser Tage in Richtung des Union-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber. Der hatte die Überlegungen des amerikanischen Präsidenten George Bush, den irakischen Machthaber Saddam Hussein mittels eines erneuten Bombardements in die Knie zu zwingen, "als nicht konkret" bezeichnet und die Bundesregierung vor übereilten Zustimmungs-Bekundungen gewarnt. Dies tat aber ausgerechnet der Mann, der in Stoibers Kompetenzteam die außenpolitische Flanke sichern soll - der ehemalige CDU-Bundesvorsitzende Wolfgang Schäuble. Ganz im Stile seines früheren Vorgängers Helmut Kohl philosophierte der Schwabe von einer "sattelfesten deutsch-amerikanischen Freundschaft" und "uneingeschränkter Solidarität". Perfekt machte die Verwirrung dann der Berliner CSU-Landesgruppenchef Michael Glos, der sich auf die Seite von Kanzler Schröder und Bundesaußenminister Joseph Fischer stellte, und seine Vorbehalte gegenüber einer deutschen Beteiligung an einem Irak-Einsatz deutlich machte.

"Wir haben eine klare Position. Der Bundeskanzler hat unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die uneingeschränkte Solidarität der Bundesrepublik mit den USA erklärt. Wir haben immer gleichzeitig betont, daß wir nicht bereit sind, uns an Abenteuern zu beteiligen. Dabei bleibt es. Als Verteidigungsminister unterstütze ich diese Linie voll und ganz. Ich weise aber darauf hin, daß es keine Anfragen der US-Regierung gibt, die eine deutsche Unterstützung eines Irak-Einsatzes zum Ziel haben", verkündete Minister Struck. Schröder-Herausforderer Stoiber kommt derweil ins Schlingern. Zwischen den liberalen, pro-amerikanischen Positionen Schäubles und den kriegskritischen Äußerungen von Glos, die gerade in konservativen Kreisen auf viel Anklang stoßen, bleibt dem bayerischen Ministerpräsidenten kaum Platz zur Profilierung. "Mit ihrer öffentlichen Kritik an den USA haben Schröder und Fischer in Washington viel Porzellan zerschlagen und Vertrauen zerstört. Das wird leider den notwendigen Einfluß der Europäer auf die weitere Entwicklung schmälern. Statt an der Seite der Amerikaner entschieden für die umgehende Wiederaufnahme der UN-Inspektionen im Irak einzutreten, wurde der Eindruck mangelnder Entschlossenheit gegenüber dem Diktator Hussein erweckt", tönte der Bayer, doch er weiß, daß eine dezidierte Pro-Amerika-Haltung gerade traditionelle Rechtswähler vergraulen könnte.

Deswegen versucht er sich in einem gewagten Spagat. Seinem Schattenminister Schäuble bescheinigt er öffentlich, über "eine herausragende politische Kompetenz in diesem Bereich zu verfügen" und seinem Parteifreund Glos gesteht er zu, "die Sorgen der Basis" ernst zu nehmen. Dies ist freilich auch bitter nötig. Bereits 1998 hatte Sozialdemokrat Schröder im Wahlkampf mit rechten Themen wie Ausländerkriminalität und Euro-Stabilität gegen die Christdemokraten gepunktet. Unverhohlen spricht der Kanzler immer öfter von "dem deutschen Weg", der auch mal in einem klaren Nein enden könne.

Mit diesem Modell als "Friedenskanzler" bietet sich Schröder sowohl der klassischen Linken als auch den Konservativen als Interessenvertreter an. Kontrahent Stoiber bleibt da nur noch die Gelegenheit, um die Vision einer gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik voranzutreiben. "Aufgabe von Außenminister Fischer wäre es, eine europäische Allianz der gemeinsamen Werte und der gemeinsamen Sicherheit zu schmieden und zusammen mit den Verbündeten für sofortige, neutrale Kontrollen von Waffenprogrammen und -produktionen im Irak unter Verantwortung der Vereinten Nationen zu sorgen. Fischer sollte seine kritischen Fragen an das irakische Regime und nicht an die Adresse des amerikanischen Präsidenten richten. Neutrale UNO-Kontrollen über das irakische Waffenprogramm liegen im europäischen Sicherheitsinteresse und müssen eine zentrale europäische Forderung sein - und nicht nur eine Angelegenheit der Amerikaner." Treue Unionsanhänger sprechen bei diesem Sammelsurium an Aussagen von einer gewieften Wahlkampftaktik.

Das Regierungslager lästert dagegen über die außenpolitische Konzeptlosigkeit Stoibers. Einige politische Kommentatoren konstatieren immerhin eine geschickte Rollenverteilung. "Edmund Stoiber läßt keine Gelegenheit aus, die Mitte zu besetzen - und doch nach beiden Seiten hin offen zu sein. Wer dahinter eine Strategie vermutet, dürfte Recht haben." Bleibt die Frage, wie viele Wähler den Griff in die Wundertüte bei soviel Überraschungspotential wagen werden.


 
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