© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/02 23. August 2002

 
Meldungen

Gegen die Tugenddiktatur der neuen Jakobiner

FRANKFURT/MAIN. Nicht-Juristen werden mit den wesentlichen Neuerungen der am 1. Januar diesen Jahres in Kraft getretenen Schuldrechtsmodernisierung kaum etwas anfangen können. Noch viel weniger dürften sie die scheinbar winzigen Zusätze zu dem Paragraphen 319 BGB interessieren, die in der Schublade der Bundesjustizministerin liegen. Obwohl es sich um gesellschaftspolitischen Sprengstoff erster Güte handelt, wenn man dem erbosten Berliner Rechtswissenschaftler Franz-Jürgen Säcker glauben darf (Zeitschrift für Rechtspolitik, 7/02). Die §§ 319a ff. sollen nämlich die Normen des neuen Antidiskriminierungsgesetzes dem BGB implantieren. Damit steht das Herzstück des Zivilrechts, die Vertragsfreiheit, zur Disposition. Entscheidend sei nicht mehr, so Säcker, der hier Anfänge einer Tugenddiktatur jakobinischen Musters ausmacht, die Willenseinigung der Privatrechtssubjekte, sondern die staatliche Zensur des Vertragsschlusses. Überwacht werden Vertragsschlüsse von "Antidiskriminierungsvereinen", die gemäß § 3 des Unterlassungsklagegesetzes ins Leben gerufen würden, die jedes einer Diskriminierung verdächtige Unternehmen verklagen und wegen der Umkehr der Beweislast in § 319c zwingen können, die "Tugendhaftigkeit" seines Verhaltens vor Gericht zu beweisen. Die Motivkontrolle gelte für jeden Vertragsschluß, der anhand dubioser Maßstäbe politischer Korrektheit überprüft werde.

 

Kunsthistoriker als Himmlers Helfer

MÜNCHEN. Daß ein Luxusfach wie Kunstgeschichte natürlich auch eine "braune Vergangenheit" hat, mußte früher oder später, im Zuge des großen Interesses an der Wissenschaftsgeschichte des Dritten Reiches, auch den Vertretern dieser Orchideendisziplin auffallen. Ausgerechnet die kurze Geschichte des Faches an der 1941 gegründeten "Reichsuniversität" Posen suchte sich der polnische Historiker Adam S. Labuda aus, um seinen deutschen Kollegen voranschreitend Neuland zu erschließen (Zeitschrift für Kunstgeschichte, 3/02). Gestützt auf die heute in polnischen Archiven befindlichen Akten des Kunsthistorischen Instituts glaubt er dokumentieren zu können, wie Arbeiten zur Architekturgeschichte und fotografische Erfassungen von Kunstwerken mit dazu beitrugen, wissenschaftliche Grundlagen für Himmlers "germanisierende" Bevölkerungs- und Siedlungspolitik im "Warthegau" zu schaffen.

 

Alternativen zu Hitler: Neue Wertungen zu 1932

SEELZE. Vor acht Jahren wurden deutsche Geschichtslehrer in ihrem Verbandsorgan (Geschichte in Wissenschaft und Unterricht) letztmalig über aktuelle Forschungstendenzen auf dem Gebiet der Weimarer Republik informiert. Um die so entstandene Wissenslücke zu füllen, hat nun (H. 7-8/02) der Stuttgarter Privatdozent Wolfram Pyta einen Überblick geliefert. Als bemerkenswert hebt er hervor, wie stark die Zeit von 1930-1932 ins Zentrum des Forschungsinteresses gerückt ist. Bis in die achtziger Jahre wertete man diese Zeit nur als Übergang zu Hitler, der als "legitimer Erbe" der Präsidialkabinette galt. Nun erkennen immer mehr Historiker Schleicher oder gar eine Militärdiktatur als "das kleinere Übel" an und loten die politischen Handlungsspielräume des Krisenjahres 1932 aus. Daß dabei auch die "polarisierende" Gestalt des Staatsrechtlers Carl Schmitt "historisiert" und "teilrehabilitiert" werde, registriert Pyta als angenehmen Nebeneffekt.

 

Erste Sätze

Es ist Frühsommer - Juni - und ich bin in Berlin - wieder in Berlin.

Leni Riefenstahl: Kampf in Eis und Schnee, Leipzig 1933


 
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