© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/02 30. August 2002

 
Völkerrecht ausgehebelt
von Steffen Königer

Ist das Völkerrecht zur Zeit vollkommen obsolet? Gehört es zum guten Ton, andere Staaten mit der Androhung eines Präventivschlages zu einem Machtwechsel zu "animieren"? Der jüngste Vorstoß des US-Vizepräsidenten Richard Cheney läßt nicht viel Raum für anderweitige Spekulationen. Allen Bedenken zum Trotz - selbst Ex-Außenminister Nik Baker mahnte zur Vorsicht - bezeichnet Cheney die Intervention im Irak und den Sturz Saddam Husseins als "unumgänglich". Keine Rede mehr von UN-Inspektoren oder Sicherheitsrat, Uno-Generalsekretär Kofi Annan scheint ebenso abgemeldet zu sein wie die Nato. Man möchte die Sache selbst regeln und sich nicht reinreden lassen und da steht auch das Völkerrecht hintan. Es würde auch nur offenbar werden, daß es keinen einzigen neuen Beweis gibt, um die Staatengemeinschaft von der Absetzung des Diktators zu überzeugen.

Cheney läßt auch nicht das Argument an sich heran, die Anti-Terror-Koalition könnte im Falle einer Intervention zerbrechen. Man rechnet nicht mit Revolte und vergißt, daß es diesmal keine Reaktion auf eine völkerrechtswidrige Handlung ist. Kaum ein Araber wird sich auf die Seite Amerikas stellen. Irak-Kenner sind sich sicher, so der US-Vize, daß das irakische Volk beim Sturz des Tyrannen in Jubel ausbrechen werde, wie es in Afghanistan beim Anblick der Amerikaner geschah.

Man muß kein Freund Saddams sein, um zu merken, daß Amerika sich irren kann. Der Besuch des irakischen Außenministers Nadschi Sabri in Peking spricht Bände. Auch der saudische Prinz Bin Abdul Asis warnte deutlich: "Wir wollen kein zweites Vietnam."


 
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