© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/02 06. September 2002

 
Kampf um Heimatrechte
Rußlanddeutsche: Erster länderübergreifender Kongreß in Berlin koordiniert politische Arbeit
Helena Schäfer

Nach langem Nebeneinander haben sich die rußlanddeutschen Organisationen in Deutschland und in den GUS-Staaten zusammengeschlossen. Mit dem Hauptziel, die Kräfte von rußlanddeutschen Verbänden in ihrem Einsatz für das Überleben und die vollständige Rehabilitierung der unterdrückten, einst dem bolschewistischen Völkermord ausgesetzten, rußlanddeutschen Volksgruppe weltweit zu konsolidieren, versammelten sich am vergangenen Freitag in Berlin führende Vertreter von sieben Organisationen mit 40 Delegierten zum ersten Kongreß des Internationalen Konvents der Rußlanddeutschen (IKRD).

Ausschlaggebend für die Gründung eines internationalen Konvents war die Tatsache, daß die auf höchsten Ebenen Deutschlands, Rußlands und anderer GUS-Staaten kundgegebenen Versprechen über die Rehabilitierung und Unterstützung der Rußlanddeutschen nicht eingehalten wurden. Der Kongreß verlief zweisprachig in deutsch und russisch. Die ersten Reden hielten die beiden Co-Vorsitzenden des Konvents, der Hamburger Vorsitzende der "Landsmannschaft der Deutschen aus Rußland", Konstantin Ehrlich, und der Präsident der Organisation "Wiedergeburt" in Rußland, Vladimir Bauer. Nach Ehrlichs Vortrag über den Erlaß Stalins über die Deportation der Deutschen vom 28. August 1941 und dessen verheerende Folgen, berichtete Bauer über das offensichtliche Ignorieren der mit dem Rehabilitierungsprozeß in Verbindung stehenden Aufgaben durch die russische Regierung, sowie über den Mißbrauch und den kontraproduktiven Einsatz der für die Hilfe der Aussiedler vorgesehenen deutschen Steuergelder.

Eines der weiteren Themen des Tages war die diskriminierende Einführung des einmaligen und obligatorischen Sprachtests durch die rot-grüne Regierung, der Familien künstlich trenne und durch den die Rußlanddeutschen schlechter gestellt seien als in Deutschland lebende Ausländer. Es sei nicht nachvollziehbar, warum ein Volk, das jahrzehntelang einzig und allein für seine deutsche Nationalität gelitten habe, von den hiesigen Amtsträgern nicht als deutsch anerkannt wird. Gefordert wurde auch, die Geschichte der Rußlanddeutschen in die - nicht nur gymnasiale - Schulbildung einfließen zu lassen. Mit Bedauern stellte eine der Delegierten in ihrer Rede fest, daß nicht nur die meisten Real- und Hauptschüler, sondern auch ihre Lehrer, nichts über die Herkunft der Rußlanddeutschen wüßten. Von dem Unverständnis gegenüber den Rußlanddeutschen wußte auch eine Vertreterin der russischen Duma zu berichten, die leider nicht als Delegierte der Regierung, sondern in eigener Sache angereist war. Der einzige nicht rußlanddeutsche Redner war der Vorsitzende der Deutschen Partei (DP), Heiner Kappel, der die Politik der etablierten Parteien gegenüber den Rußlanddeutschen kritisierte und sich für eine Zusammenarbeit mit den kleinen bürgerlichen Parteien aussprach. Angesichts der zu bewältigenden Probleme verlief der erste Kongreß des Internationalen Konvents der Rußlanddeutschen in einem recht kleinen Rahmen. Die Problematik der in ihre historische Heimat zurückgekehrten und der in Rußland gebliebenen Deutschen ist zudem sehr unterschiedlicher Art. Eine größere Effektivität der Organisation durch die internationale Zusammenarbeit ist dennoch zu erwarten.


 
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