© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/02 06. September 2002

 
"Er hat unendlich viel für das Land getan"
Saarland: Nach der Suspendierung des Saarbrücker Oberbürgermeisters Hoffmann droht nun mit der Festnahme des Unternehmers Ostermann ein zweiter "Fall Trienekens"
Christian Roth

Die beiden Nachrichten trafen nur im Minuten-Abstand in den Redaktionen ein und sorgten für ein politisches Erdbeben. Der vergangene Dienstag wird als einer der schwärzesten Tage der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken in die Geschichte eingehen.

Die Fahnder der Staatsanwaltschaft Saarbrücken kamen unauffällig und leise. Ihre Ziele: Das noble "Victor's Residenz Hotel", die Geschäftsräume der "Pro Seniore AG" und eine Privatwohnung. Dort wurde der Multi-Unternehmer Hartmut Ostermann (51) vorläufig festgenommen. Dem Betreiber von privaten Altenheimen und Präsidenten des Fußballclubs 1. FC Saarbrücken wird gewerbliche Steuerhinterziehung vorgeworfen. Während Ostermann dem Haftrichter vorgeführt wurde, mußte Oberbürgermeister Hans-Joachim Hoffmann einen bitteren Gang antreten. Innen-Staatssekretär Gerd Müllenbach hatte das in erster Instanz wegen Untreue verurteilte Stadtoberhaupt ziemlich unsanft in sein Dienstzimmer bestellt. Dort bekam Hoffmann seinen vorläufigen Suspendierungsbescheid ausgehändigt. Die Posse um den zweifelsohne immer noch populären SPD-Politiker hat ihren Höhepunkt erreicht. Seit drei Jahren ist die Landeshauptstadt ein politisches Tollhaus. Denn seit das Ermittlungsverfahren gegen Hoffmann im Mai 1999 eröffnet wurde, hatte der Oberbürgermeister einen Zweifrontenkrieg zu führen. Er mußte die Stadt regieren und sich vor Gericht verteidigen. Das Ende dieses Trauerspiels ist noch nicht abzusehen. In gewohnter Manier kündigte der SPD-Mann an, daß er um sein Recht kämpfen werde. Das Amtsenthebungsverfahren sei ohnehin nur ein "mieser und durchsichtiger" Wahlkampftrick der CDU, tobte der SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Horst Schmeer. Die Aufnahme des Berufungsverfahrens wird für November erwartet. Solange wird die krisengeschüttelte Stadt von dem Grünen-Bürgermeister Kajo Breuer regiert, dessen Partei seit den letzten Kommunalwahlen eine Koalition mit der CDU eingegangen ist. Dessen Amtsantritt ist in öffentlicher Darstellung fast ein wenig mitleidig kommentiert werden. Die SPD wird zunächst ihre Wunden lecken und dann auf eine Fundamental-Opposition umsteigen. Die CDU-Mehrheit im Rat schielt ohnehin nur nach dem Chef-Sessel. Die schwarz-grüne Zusammenarbeit war bereits in der Vergangenheit nicht mehr als ein Zweckbündnis, um den umstrittenen, aber direkt gewählten Oberbürgermeister in Bedrängnis zu bringen.

Auch die Affäre um den derzeit einsitzenden Unternehmer Hartmut Ostermann bürgt für politischen Sprengstoff. Jahrelang wurde der "Hans Dampf" in allen saarländischen Gassen von den Mächtigen im Lande hofiert. Die ständig köchelnden Gerüchte, beim kometenhaften Aufstieg des Hoteliers und Seniorenheim-Betreibers sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen, wurden stets beiseite geschoben. Millionen Euro fließen seit Jahren von der "Ostermann-Gruppe" in den chronisch klammen und selten seriös geführten 1. FC Saarbrücken, der das Lieblingsspielzeug der saarländischen Polit-Prominenz ist. Der ehemalige FDP-Bundestagskandidat, der als einer der Hauptsponsoren der saarländischen Liberalen gilt, legte dabei stets Wert auf parteipolitische Ausgewogenheit. Den gescheiterten CDU-Innenminister Klaus Meiser versorgte er nach dessen Rücktritt mit einem lukrativen Posten im Vorstand von "Pro Seniore" und dem ehemaligen Bundesverkehrsminister und früheren Ministerpräsidenten Reinhard Klimmt richtete er noch vor zwei Wochen eine zünftige Geburtstagsfeier im saarländischen Landtag aus. Daß "Saubermann" Ostermann nun angeblich siebzehn Millionen Euro Lohnsteuern nicht abgeführt hat, droht die saarländische Politik-Szene nachhaltig zu erschüttern. "Ich sehe keinen Grund, über ihn den Stab zu brechen", sagt Reinhard Klimmt, "er hat unendlich viel für das Land getan."

Doch aus dem einstigen Strahlemann könnte eine neue und dauerhafte Belastung für das kleinste Flächenland der Bundesrepublik werden. Ein erstes Anzeichen dafür lieferte am vergangenen Donnerstag der Besuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Landeshauptstadt. Der Troß des Kanzlers wollte ursprünglich im "Victors-Residenz Hotel" Station machen. Doch nach der Affäre um Ostermann buchte Schröders Wahlkampf-Leitung kurzerhand um. Eine Nacht unter Ostermanns Dach "käme nicht so gut", hieß es bei den Sozialdemokraten.


 
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