© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/02 06. September 2002

 
Meldungen

Trübe Aussichten, schlechte Stimmung

BONN. Unter "Trübe Aussichten und schlechte Stimmung" faßt der Freiburger Althistoriker Michael Sommer den Unmut deutscher Nachwuchswissenschaftler zusammen (Forschung&Lehre 8/02). Nicht nur Edelgard Bulmahns Dienstrechtsreform, der vielzitierte "Juniorprofessor", der die tradierte Habilitation ersetzen soll, stößt nach dem Ergebnis einer Internetumfrage auf den harten Widerstand der Jungakademiker. Auch mit der Ausstattung der geisteswissenschaftlichen Fächer ist man extrem unzufrieden. 68 Prozent der Befragten meinten, diese hätte sich in der Ära Schröder rasant verschlechtert. Wissenschaft gelte den meisten der Befragten inzwischen als brotlose Kunst. Nur vier Prozent glauben für ihre Zukunft an ein "gutes Arbeitsmarktklima". 71 Prozent meinen, die Regelungen des neuen Hochschulrahmengesetzes werde ihnen "zusätzlich schaden". Auch die PISA-Studie habe kaum jemanden überrascht: Vom "Bildungsnotstand" seien 87 Prozent der jungen Wissenschaftler überzeugt, da man erlebe, daß das Abitur "mäßig", "schlecht" oder "sehr schlecht" auf das Studium vorbereite.

 

DDR-Literatur über Ostdeutschland 1945

TRAVEMÜNDE. Günter Grass hat jüngst wieder die Legende kolportiert, daß in der DDR-Literatur das Thema "Flucht und Vertreibung" tabuisiert worden sei. An die Untaten der Roten Armee, der die SED in "Klassen- und Waffenbrüderschaft" verbunden war, durfte so wenig erinnert werden, wie an die Verbrechen der bis zur Oder expandierten Nachbarn in "Volkspolen". Diese Einschätzung trifft für die Masse der DDR-"Kulturschaffenden" zu, ignoriert aber, daß auch der perfekteste Totalitarismus ideologische Lücken aufweist. So hat schon 1952 Benno Voelkners Roman "Die Tage werden heller" den Untergang Danzigs thematisiert und selbst Christa Wolf wagte es, in "Kindheitsmuster" (1976) von den Schandtaten der Sowjetsoldaten an deutschen Flüchtlingsfrauen zu erzählen. In den achtziger Jahren stießen dann Romane über Ostpreußen und Schlesien, die auf breite Resonanz im DDR-"Leseland" stießen. Die Ostsee-Akademie im Travemünder Pommern-Zentrum (Tel. 0 45 02 / 80 32 02) bietet vom 2. bis 4. Oktober ein Seminar über dieses unbekannte Kapitel mitteldeutscher Bewußtseinsgeschichte an.

 

Preußen: Gedenken an Graf von Schulenburg

BERLIN. Bei der Geburt sei "Fritzi", wie er in der Familie genannt wurde, ein schmächtiges Kerlchen gewesen. Und er habe, den Erzählungen seiner Mutter zufolge, wie sein Biograph Albert Krebs 1964 zu berichten wußte, "mit seiner großen Nase und den großen Augen im winzigen Schrumpelgesicht wie Friedrich der Große auf dem Totenbett" ausgesehen. Die Rede ist von Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, der am 5. September 2002 hundert Jahre alt geworden wäre, wenn Roland Freisler den 42jährigen Verwaltungsjuristen nicht zum Tode verurteilt hätte. Am 10. August 1944 ist der Abkömmling eines Geschlechts aus altmärkischem Uradel in Berlin-Plötzensee für seine maßgebliche Beteiligung am "20.Juli" gehängt worden. Die Erinnerungen an seinen 100.Geburtstag werden sich schon deshalb in engen Grenzen halten, weil dieser eminent charismatische Widerstandsexponent in den letzten Jahren von enthemmt pädagogisierenden jungen Zeithistorikern zu jenen "Verschwörern" gerechnet wurde, die nicht nur der "Anti-Bolschewismus" mit der NS-Führung weltanschaulich verbunden habe. Tröstlich daran ist, daß diese Einschätzung vor bundesdeutschen Vereinnahmungen schützt und gerade heute das Licht eines Preußen leuchten läßt, dessen Trautext 1932 lautete: "Glaubet an das Licht, dieweil ihr es habt, auf daß Ihr des Lichtes Kinder seid."


 
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