© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/02 13. September 2002


Eingezwängt
von Carl Gustaf Ströhm

Das zweite Fernsehduell zwischen Schröder und Stoiber hat bestätigt, was bereits beim ersten Auftritt klar war: Obwohl der CSU-Chef sich auf Arbeitslosigkeit, Wirtschaft und Finanzen konzentrierte und damit die besseren Argumente für sich hatte, wirkte er auch diesmal wieder wie jemand, den man in einen zu engen Anzug gesteckt hat. Mit zusammengekniffenen Augen, den Kopf schräg, demonstrierte er sogar beim gezwungen wirkenden Lächeln, daß er sich hier nicht wohlfühlte. Beim Aschermittwoch in Passau, konnte man einen anderen Stoiber erleben: angriffslustig, eloquent, locker. Hier im fremden Berlin hatten ihn Spreng und seine "Einflüsterer" eingezwängt: Er durfte nicht er selber sein. Dies und seine süddeutsche Aussprache, die den "Nordlichtern" folkloristisch anmutet, ließen ihn gegenüber dem hochdeutsch formulierenden Schröder abfallen.

Der SPD-Kanzler war schlagfertig, gelöst, auch demagogisch, er zeigte sich als "Show-Master". Wieviele Wählerinnen mögen sich gedacht haben: das wäre doch ein Charmeur, den man sich, wenn schon nicht als Kavalier, dann wenigstens als Schwiegersohn vorstellen könnte? In der "Telekratie" entscheiden optische Eindrücke, nicht Sachargumente. Selbst dort, wo Stoiber als Konservativer hätte punkten können, überließ er Schröder das Feld. Während dieser mit seinem Nein zum Irak-Abenteuer national-deutsche Positionen besetzte, lamentierte Stoiber, man müsse erst das Ausland fragen. So läßt sich die Union den deutschen Patriotismus widerstandslos wegnehmen.


 
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