© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/02 13. September 2002

 
Erfolgloser Prima-Klima-Klub
Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommern: Die SPD/PDS-Koalition will weitermachen
Lennard Lopin

Es ist wieder soweit: Doppelwahl in Mecklenburg-Vorpommern. Zeitgleich mit der Wahl zum Deutschen Bundestag sind die Ostsee-Anwohner aufgerufen, ihre Stimme an eine der vierzehn zur Wahl zugelassenen Parteien zu vergeben. Doch im immer hitziger werdenden Bundestagswahlkampf lösen sich allmählich die Konturen der Lokalpolitik im Bundespolitischen auf. Denn letztlich scheint der Wahlausgang keine besondere Überraschung bereitzuhalten. Die Mehrheit des Wähler scheint trotz unverändert hoher Arbeitslosigkeit und Landflucht für eine Fortsetzung der SPD/PDS-Koalition zu sein.

Während SPD (Spitzenkandidat Harald Ringstorff) und CDU (Eckhart Rehberg) am oberen Ende der Dreißigprozentskala miteinander duellieren, versucht die PDS möglichst viele Alternative und Grünwähler zu absorbieren. Dabei scheidet eine unsichtbare Demarkationslinie Vorpommern von Mecklenburg: Die vorpommerschen Wahlkreise wählen bevorzugt konservativ, während in Mecklenburg die Sympathien für die SPD und PDS dominieren. Die Genossen sitzen mit 18 bis 20 Prozent fest im Sattel und steuern siegessicher die Fortsetzung der rot-roten Koalition an, die Helmut Holter (PDS) kürzlich als einen "Prima Klima Klub" umschrieb. Was er damit genau meinte, braucht der durch seine Affären im Schweriner Arbeitsministerium belastete Minister nicht näher auszuführen. "Trotzdem" heißt es dann ganz lapidar auf den Wahlplakaten. Und wer bemerkt schon, außer einigen Unternehmern, denen steuerlich die Daumenschraube angelegt wird, den Schuldenberg, auf dem die Landesregierung sitzt? Mit einer banalen Bayernangst zieht die PDS, die behauptet "alleine Edmund Stoiber verhindern zu können" sämtliche Register ihres Könnens und nährt machttrunken die Idylle einer weiteren doppelt roten Legislaturperiode.

Wirklich verhindern könnte das allein die FDP, die nach neuesten Umfragewerten allerdings um ihren Einzug in den Landtag bangen muß. Vor allem wohl auch deswegen, weil der Bekanntheitsgrad ihrer lokalen Spitzenkandidaten wie Hans Kreher (61) unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt. Fiele die FDP aber durch, stünde die CDU alleine da und ein Regierungswechsel wäre so gut wie ausgeschlossen. Selbst die Schill-Partei (Partei Rechtsstaatlicher Offensive), die Anfang des Jahres in Umfragen noch gut zehn Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte, ist mit schlanken zwei Prozent heftig ins Rudern geraten. Dabei haben ihrem Ansehen offensichtlich die innerparteilichen Machtkämpfe sowie der dreifache Gründungsanlauf geschadet. Seriosität und Kompetenz treten im Bürgerbewußtsein eben anders auf.

Ebenfalls zur Wahl tritt die Bürgerpartei MV an. Zwanzig Mitglieder tragen die regionale Initiative aus Güstrow, deren Programm sich aber nicht wesentlich von dem der Partei Rechtstaatlicher Offensive oder der CDU unterscheidet. Auch die Sozialliberale Partei (SLP) kämpft gegen ihr Nischendasein. Ursprünglich von abtrünnigen Sozialdemokraten ins Leben gerufen, für die die Koalition der SPD mit der SED-Nachfolgepartei PDS Grund genug war, der eigenen Partei den Rücken zu kehren, setzt sie sich für eine "sozialliberale Marktwirtschaft" ein. Wohl nur spaßeshalber ist die Spaßpartei MV angetreten. Auf ihrem Programm steht unter anderem die Legalisierung von Prostitution, Autobahnen ohne Tempolimit und Bafög für alle Studenten. Sinnesgenuß als Wahlkampfparole? Keine Absurdität ist peinlich genug im Kampf um die Wählergunst. Dem Spaßvolk haben die christlichen Gegenstreiter zwar kaum etwas entgegen zu setzen, sind aber mit im Rennen: Die Partei Bibeltreuer Christen (PBC), die sich verstärkt für Familienpolitik einsetzen und traditionelle christliche Werte in die Politik tragen will, tritt auch im atheistischen Nordosten an. Da Arbeitsmarkt und Bevölkerungsschwund jedoch die dringenderen Probleme des Landes darstellen, haben rechte Kleinparteien wie die Republikaner oder die NPD wenig Chancen beim Wähler. Als rotes Legitimationspotential benutzt und als Extremismusgefahr gebrandmarkt, räumen ihnen die Wahlbeobachter zusammen kaum mehr als einen Prozentpunkt ein.

Und auch die Grünen bewegen sich mit zwei Prozent nur im Bereich der neugegründeten Schill-Partei. Allerdings waren sie noch nie im Landtag vertreten. Doch selbst mit den großangekündigten Medienauftritten von Joschka Fischer und Rezzo Schlauch konnten sich die Grünen, mit ihrem Spitzenkandidaten Jürgen Suhr, bisher nicht einmal in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde vortasten. Die Bonusmeilenaffäre brachte den Altnernativen einen derben Dämpfer ein. "Das war frustrierend", meinte Ulrike Seeman-Katz, Landesgeschäftsführerin der Grünen. Um eine niedrige Wahlbeteiligung muß sich Mecklenburg-Vorpommern nur aus einem Grund keine Sorgen machen: Der Doppelwahltag zwingt auch die Gelangweiltesten zur Wahlurne.


 
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