© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/02 13. September 2002

 
Leserbriefe

Zu: "Die tüchtigen Bürger unseres Landes klagen an", JF 37/02

Tschüß Schill

Und wieder erliegt ein hoffnungsvolles rechtes Partei-Projekt seiner ihm eigenen Hybris. Dabei hat es zunächst so gut angefangen. Da waren Aussagen wie: "Gegen Stoiber treten wir nicht an. Da haben wir nicht genug Potential. " "Ohne überzeugenden Einzug in Landtage treten wir nicht im Bund an." Und man denkt, die haben ja Grips und Strategie. Dann noch besser: Durch die Koalition erkennt die CDU eine Kraft rechts von ihr an! Den Medien wird die Ausgrenzungsmacht genommen. Wow, jetzt nicht den Ball verstolpern. Dann kommt's wie immer: die Partei wächst. Frustriert von der jahrzehntelangen Ausgrenzung will die neue Mitgliedermehrheit alles und zwar sofort. Statt sich zu etablieren mit Besonnenheit, Geduld und Taktik. Recht haben statt recht bekommen. Auf in den Bundestag. Trotz Scheitern in den Ländern: Strategie über Bord, kompetente Sympathisanten verprellt, Niederlage absehbar. Schade.

Markus Roth, Speichersdorf

 

Populist, oder nicht?

Schill spricht von den "tüchtigen Menschen unseres Landes". Diese aber haben überall mitgemacht. Sie rafften, was sie konnten, sparten an der Zahl der Kinder, wollen auch heute nichts ändern. Sie lassen die im Stich, die es noch wagen, deutlich die Wahrheit zu sagen. Ist Schill also ein Populist oder nicht?

Simon Aumeier, Weiden

 

Mitläufertum

Endlich einer, der sich traut, etwas Pfeffer in die Verdrängungspolitik zu mischen. Daß sich die Verdrängung nicht verdrängen läßt, ist allerdings auch eine Tatsache. Das mußte schon vor Jahren die gute Charlotte Höhn auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo feststellen, als sie die Problemkinder bei ihren Namen nannte und dafür verbannt und bestraft wurde. Damit das nicht nochmals passiert, hat man dann in Johannesburg das Thema Bevölkerungsexplosion einfach gestrichen - und das obwohl es das A und O der Umweltzerstörung ist. Es scheint sich also (angesichts der ungeheuerlichen Zustände) weltweit die Vogel-Strauß-Politik als einzig akzeptable Richtlinie durchzusetzen. Da werden dann auch die Schill-Leute in der deutschen Parlamentsdebatte nichts dran ändern. Leider Gottes sind die Mitläufer mal wieder - dank ihrer Masse - schwer zu stoppen. Später werden wir sie dann als Mitläufer beschimpfen.

Die Mitläufer von heute sind die, die gestern noch vor dem Mitlaufen warnten. Dazulernen? Nein danke. Auch heute gilt mal wieder die Parole der Führungselite: Weiterkämpfen bis zum letzten Quadratzentimeter von Berlin!

Kurt Willrich, Cairns / Australien

 

 

Zu: "Völkerrecht ausgehebelt" von Steffen Königer, JF 36/02

Schiffbruch vorauszusehen

Die USA leiden an einer permanenten militärischen Selbstüberschätzung. Alles, was sie seit dem Zweiten Weltkrieg militärisch in der Welt unternahmen, ist schiefgelaufen. Das beginnt mit Korea, wo sie von den Australiern und Türken herausgehauen werden mußten, geht über Vietnam, Somalia und den ersten Golfkrieg weiter, wo sie nirgends ihre Ziele erreichten, ja, wie im Falle Somalias, kleinlaut abziehen mußten, und endet zunächst mit Afghanistan, wo sie nicht einmal völlige Ruhe in Kabul herstellen konnten, ganz zu schweigen von der Ergreifung Bin Ladens und seiner Hintermänner sowie der Befriedung des Landes und dem Aufbau einer Demokratie! Ich prophezeie ihnen auch diesmal wieder einen Schiffbruch, sollten sie sich dazu hinreißen lassen, den Irak anzugreifen. Das Einzige, was sie erreichen werden, ist, daß Saddam Hussein, in die Enge getrieben, seine Wut an Israel auslassen wird, das er mit seinen biologischen und chemischen Raketen schwer schädigen kann. Dann allerdings werden die Israelis zurückschlagen und die Sache für die amerikanischen Militärs in Ordnung bringen. Es wird außerdem eine Solidarisierung der arabischen Welt mit Saddam Hussein stattfinden, was Europa und die USA am wenigsten brauchen können.

Hubertus-Hartmut Körner, per E-Post

 

 

Zu: "Im deutschen Interesse" von Peter Freitag, JF 36/02

Deutschfeindlich

Die Broschüre erklärt, daß Deutschland "Spitzenkräfte" braucht. Gibt es nicht genügend deutsche Spitzenkräfte in allen Bereichen der Industrie und Landwirtschaft? Hat nicht gerade der jetzige Bundeskanzler Informatik in seinem Bundesland abgeschafft, um nachher Ausländer als Programmierer ins Land holen zu könen? Dafür erschwert das Gesetz die Zuwanderung der Gruppe der Volksdeutschen aus Osteuropa, die in der Regel alle drei Bedingungen der Integrierbarkeit erfüllen, wenn nicht in der ersten, dann aber in der zweiten und dritten Generation ganz bestimmt. Die Hürde der Sprachkenntnisse ist schlau gewählt. Woher sollen die in der Sowjetunion lebenden Deutschen deutsch können, wo in den vierziger und fünfziger Jahren deutsch sprechen unter Strafe gestellt war? Wo selber der Schulbesuch für Deutsche erschwert, falls nicht unmöglich gemacht wurde? Die vom Schreiben hochgejubelten Sprachkenntnisse sind eine Selbstverständlichkeit. Zudem werden Sprachkenntnisse von den angeblichen "Spitzenkräften" nicht gefordert, und diese sollen angeblich so hilfreich sein für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Dienen sie nicht eher dazu, die Bereicherung einer kleinen, machtgierigen Minderheit zu fördern? Sind sie nicht das Mittel, um die Solidarität und Einheit im Volk weiter zu schwächen, um es leichter zu unterdrücken?

Hierzu ist noch anzumerken, daß das Bewegen der Zunge noch lange nicht das Schlagen des Herzens ist, und jemand mit deutschem Namen und muttersprachlichen Deutschkenntnissen noch lange kein deutscher Patriot sein muß, wie das uns die Geschichte bitter gelehrt hat, und viele Zuschriften uns immer wieder vor Augen führen. Oder die Macher dieses Gesetzes: Die Bundesregierung beweist klar und deutlich mit diesem deutschfeindlichen Gesetz, in wessen Interesse sie handelt, und diese Interessen sind geradezu gegenteilig zu den deutschen Interessen.

Eleonora Goldmann, per E-Post

 

 

Zu: "Pankraz, Indira Gandhi und die Sixtinische Madonna", JF 36/02

Unlösbare Konflikte

In seiner Kolumne in der JF vom 30. August hat Pankraz ein Problem angeschnitten, dessen Existenz einerseits von Fanatikern und andererseits von Mitgliedern der modernen Anspruchsgesellschaft immer übersehen oder gar geleugnet wird. So wie es in der Physik nicht möglich ist, die Werte zweier sogenannter kanonisch konjugierter Größen eines Phänomens gleichzeitig mit beliebig hoher Genauigkeit anzugeben (Unschärferelation), lassen sich auch gewisse ethische Normen nicht gleichzeitig beliebig exakt befolgen.

Das heißt, der Unschärferelation in der Naturwissenschaft entspricht in der Ethik in vielen Fällen ein unlösbarer Zielkonflikt. Der Fanatiker entscheidet sich dann ohne Rücksicht auf die Folgen immer für sein ideologisches Prinzip, ein Verhalten, das Christian Morgenstern in seinem Gedicht vom vegetarisch lebenden Hecht trefflich beschrieben hat, der Anspruchsbürger verlangt das Unmögliche nach dem Motto "Wasch' mir den Pelz, aber mach' mich nicht naß." In der klassischen Tragödie befindet sich der Held schuldhaft oder auch unschuldig immer in solch einem Konflikt. Wie er sich auch entscheidet, immer verstößt er gegen eine ethische Norm oder ein Gesetz, und das führt dann zwangsläufig zu seinem Untergang. Gerät ein Politiker oder eine Partei in solch ein Dilemma, dann ist das für die Gegenseite und für die ewigen Besserwisser in den Medien ein gefundenes Fressen.

Ich würde es begrüßen, wenn Pankraz diesen Gedanken, der in seiner Kolumne diesmal nur zwischen den Zeilen zu finden war, einmal anhand eines weiteren Beispiels explizit aufgriffe. Etwa unter der Überschrift "Pankraz, Christian Morgenstern und die Pelzwäsche". Olaf Rang, per E-Post

 

 

Zu: "Die Sicht einer Stute" von Carl Gustaf Ströhm, JF 36/02

Tatsachen

Zu den überlebenden Kosaken der Massaker und Suizide 1945 in Kärnten gehörte neben der Stute auch ein Kosak, der in die Berge fliehen konnte und später eine Kärntnerin heiratete. Er wohnte auf einem Kosakenfriedhof östlich von Lienz, auf dem viele der damals Umgekommenen ihre letzte Ruhe fanden, und den er pflegte und betreute.

Ich traf ihn 1977 während eines Urlaubs in Österreich auf diesem Friedhof, den ich durch einen Hinweis an der Straße zufällig entdeckt hatte. Er berichtete mir viel von dem Verrat der Engländer und den daraus folgenden schrecklichen Ereignissen. Sein Leben, so erzählte er mir, verdankte er englischen Wachsoldaten, die um den Verrat ihrer Oberen wußten und bei seiner und seiner Kameraden Flucht, wohl aus Gewissensgründen, nicht so genau hingeschaut hatten. Mich würde übrigens interessieren, ob dieser Friedhof noch existiert. 

Fritz Hübner, Köln

 

 

Zu: "Gefragt ist nationaler Gemeinsinn" von Doris Neujahr, JF 36/02

Rettung Schröders?

Nicht nur das Hochwasser, auch die ungeliebten rot-roten Bündnisse nehmen der PDS die Möglichkeit der Fundamentalopposition. Zudem sterben DDR-Nostalgiker schlicht weg, das Zugpferd Gysi ist im Stall und durch Luc Jochimsen nur bedingt zu ersetzen. Die PDS liegt konstant bei vier Prozent, Schwarzgelb und Rotgrün nähern sich einander an.

Das führt durch unser Wahlrecht zu einer pikanten Situation: der überproportionalen Gewichtung der Erststimmen in Rein-Ost-Berliner Wahlkreisen. Kommen zwei direkt gewählte PDS-Kandidaten durch, sind diese im Bundestag, werden drei gewählt, fällt für die PDS die Fünf-Prozent-Hürde. Ein dritter Wahlkreis könnte also Stoibers Mehrheit gefährden und Schröder retten. Für jene Ost-Berliner, die Rotgrünröter mit Antidiskriminierungsgesetz, mehr Gängelung, mehr Staat und höheren Steuern nicht wollen, heißt das: Erststimme SPD, da nur sie die Erststimmenmehrheit in diesen Wahlkreisen für die PDS verhindern kann. (So wie französische Linke Chrirac wählen mußten, um LePen zu verhindern).

Auch der SPD dürfte dieser Zusammenhang klar sein. Doch was soll sie tun? PDS-Wahlempfehlung scheidet aus. Ihre Kandidaten zurückziehen auch. Die PDS wird ihre ganze verbliebene "linke Kraft" in Ost-Berlin einsetzen. Die CDU könnte aus taktischen Gründen ihre Kandidaten zurückziehen und SPD-Wahlempfehlung aussprechen. Das aber würden die Wähler nicht verstehen, zumal die wenigsten den Zusammenhang und unser Wahlsystem begreifen, bei dem man mit "der Zweiten" besser wählt.

Jens Geissler, Berlin-Karow

 

 

Zu: "Technische Mittel verändern moralisches Urteil" von Angelika Willig, JF 36/02

Grüner Punkt der Ethik

Stellen Sie sich bitte Folgendes vor: Frau heiratet, und er wird schwul. Der Retortendoktor schenkt ihr zwei Babys, die nach Jahren auch schwul oder lesbisch werden. Der Nachbar betreibt einen Swingerclub, der zur besten Sendezeit in den Lokalnachrichten seine Veranstaltungen ausstrahlt. Ihre Aufgabe als Mensch würde lauten, das sächliche Geschlecht in den Mittelpunkt des sexuellen Lebens zu stellen.

Frau Willig, wenn jetzt Ihre Hände nicht nach dem Buch mit den zehn Gebote greifen, um Trost, Hoffnung, Liebe und Hilfe zu finden, dann haben Sie sich mit dem JF-Beitrag, selbst zum "grünen Punkt" der humanen Ethik - und Moralvorstellungen entworfen.

Robert Pugler, Eckental

 

 

Zu: "Die Lösung steht am Himmel" von Franz Alt, JF 35/02

Falsche Interpretation

Die Bewahrung der Natur ist zweifellos ein edles Anliegen. Die Erhaltung menschlicher Zivilisation aber ebenfalls. Da wir, wie Herr Alt richtig feststellt, derzeit auf eine Zuwachsrate von einer Viertelmillion Menschen pro Tag gekommen sind, wird die Vereinbarkeit beider Ideale selbstverständlich immer schwieriger. Dies ist das eigentliche Problem. Die übrigen genannten Fakten sind entweder falsch interpretiert oder falsch gewichtet. Selbst wenn unser immer noch steigender Einsatz fossiler Brennstoffe und der dadurch verursachte Kohlendioxid-Ausstoß die Hauptursache für die derzeitige Warmzeit wäre, selbst dann sind die genannten Rezepte teils auf Jahrzehnte hinaus nicht - teil nie - geeignet, unser Wettergeschehen zu beeinflussen.

Das "Brett vor der Sonne" ist im wesentlichen die nicht zu ändernde Tatsache, daß der Sonne an jedem Fleck unserer Erde mit der vollen Energie nur eine sehr beschränkte Zeit des Tages zur Verfügung steht. Das würde, selbst wenn es gelänge, in einem weltweiten Verbund rings um den Globus Sonnenkraftwerke zusammenzuschalten, bedeuten, daß jedes einzelne Werk über das Jahr hinaus kaum 20 Prozent des Stromes liefern würde, der theoretisch aus der installierten Leistung gewonnen werden müßte. Ein Kernkraftwerk dagegen liefert im Jahr rund 95 Prozent des auf die volle Leistung berechneten Stroms. Der Installationsbedarf bei der Sonne ist also rund fünffach, Flächenbedarf vielfach gegenüber der Kernkraft. Hier aber liegt bei Herrn Alt und leider auch bei den derzeit Regierenden in Wahrheit das Brett.

Dr. Götz Baum, Koblenz

 

 

Zu: "Toleranz braucht Tugend" von Theo A. W. de Wit, JF 35/02

Verhaltensweisen

"Toleranz" ist ein atonischer Begriff, keine "tragende Tugend", sondern eine negative Gefühls- und Verhaltensweise. Toleranz heißt, daß ich über etwas hinwegsehe, von dem es mir (auf Grund meiner Werthaltung und persönlichen Überzeugung) lieber wäre, wenn es es nicht gäbe, wenn es in meiner Welt nicht existierte.

Toleranz als "symmetrische Rechtsüberlegungen berührt die Emotionalität nicht und kann das Negative an ihr deshalb nicht überwinden. Toleranz kann nie ein "idealer oder utopischer Zustand" sein, denn das wäre der Despotismus über die persönlichen Wert- und Lebenshaltungen, eben die "Tyrannei" des Finkelkraut.

Wollen wir ganz klar nicht vergessen, daß wir diese Tyrannei nicht auch noch wollen, und daß die Überwindung des Negativums Toleranz einzig in der schließlichen Anerkennung oder in der gänzlichen Entfernung des nur Tolerierten liegen. 

Dr. Hans Berger, Birsfelden / Schweiz

 

 

Zu: "Beschlossene Sache" von Ivan Denes, JF 34/02

Bekannte Märchen

Als JF-Leser ist man viel Kontroverses gewöhnt und freut sich vielleicht auch darüber. Dieser Beitrag aber ist hier fehl am Platz. Über den Wert und den Sinn der Demokratie gehen die Meinungen sehr weit auseinander. Die Seite der Zweifler wird aber Zulauf bekommen, wenn man so deutlich mit der Nase darauf gestoßen wird, wo die Demokratie überall immer gerade von den Amerikanern installiert wurde. Ganz selbstlos und aus lauter moralischer Überlegenheit? Das Märchen kommt mir bekannt vor - täglich von der Systempresse zu lesen. Brauchen wir das?

Hans Martin Kretschmer, Engen

 

Keine leere Drohung

Längst ist unüberhörbar, daß die Amerikaner es ernst meinen: Saddam muß weg. So sagt es Präsident Bush bei jedem öffentlichen Auftritt. Der Diktator in Bagdad soll gestürzt werden und ein neues, amerikafreundliches Regime installiert werden. Zugleich soll auch die Gefahr irakischer Massenvernichtungswaffen dauerhaft gebannt werden.

Die Pentagon-Pläne sollten den europäischen Staaten zeigen, daß von leeren Drohungen keine Rede mehr sein kann. Für Deutschland wird es höchste Zeit, dieser Realität ins Auge zu sehen und sich die Frage zu stellen, wo man selbst in diesem Konflikt steht.

Wenn Amerika einen Angriffskrieg, ob mit oder ohne UN-Mandat gegen den Irak führen will, tut Deutschland sehr gut daran, sich da heruaszuhalten. Da hört die "uneingeschränkte Solidarität" auf.

Gerhard Drechsler, Melsungen


 
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