© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/02 20. September 2002

 
"Das Projekt ist noch nicht gescheitert"
Bundestagswahl: Interview mit dem Bundesvorsitzenden der Republikaner, Rolf Schlierer
Matthias Bäkermann

Herr Dr. Schlierer, mit welchen Erwartungen blicken die Republikaner der Bundestagswahl am kommenden Sonntag entgegen. Welche Chancen rechnen sich die Republikaner aus?

Schlierer: Diese Bundestagswahl wird bestimmt von einer Zuspitzung auf die beiden Großparteien. Deswegen werden aller Voraussicht nach alle kleineren Parteien, also damit auch die im Bundestag vertretenen, mit Sicherheit Federn lassen müssen, das ist bei Polarisierungen zwischen zwei großen Lagern immer so. Genaue Prozentangaben kann ich nicht machen, weil ich kein Futurologe bin.

Aber Ihr Ziel ist die Fünf-Prozent zu erreichen?

Schlierer: Unser Ziel wird es natürlich langfristig sein, in alle Parlamente zu kommen, aber ich kann jetzt für die Wahl am 22. September keine Prognose erstellen.

Wird die Schill-Partei nicht einen großen Teil des Wählerpotentials der Republikaner abfangen?

Schlierer: Mit Sicherheit hat die Schill-Partei in Hamburg dieses Wählerpotential bei der letzten Bürgerschaftswahl vereinnahmen können. Angesichts dessen, was die Schill-Partei bisher abgeliefert hat, glaube ich aber nicht, daß es ihr gelingen wird, dieses Wählerpotential langfristig zu binden. Man wird abwarten müssen, aber ich glaube, daß der Herr Schill auch weiterhin ein Nordlicht-Phänomen bleibt. In Süddeutschland wird er keine Rolle spielen. Das gilt auch für die kommende Wahl.

Also gefährdet die Schill-Partei, die auch in ihrer Gründungsphase mehr Dynamik ausstrahlt, langfristig die Republikaner?

Schlierer: Nein, die Schill-Partei wird eine vorübergehende Erscheinung bleiben, denn die Partei zehrt ausschließlich davon, daß Herr Schill als schillernde Figur immer wieder in die Medien kommt und auch noch von Teilen der Springer-Presse bedient wird. Dieser kurzfristige Effekt wird aber zu Ende sein, wenn entweder vorzeitig die Regierungskoalition in Hamburg beendet wird oder spätestens bei der nächsten Bürgerschaftswahl. Er wird dann scheitern und dann ist das Phänomen Schill insgesamt nicht mehr existent.

Aber die Hürde der Wähler, die Schill-Partei zu wählen, ist de facto niedriger als bei den Republikanern, weil die Republikaner doch einer öffentlichen Verfemung unterliegen ...

Schlierer: Ja, in die wird der Herr Schill sehr schnell auch geraten. Man muß sich nur seine neuesten Wahlplakate ansehen. Er plakatiert sehr einleuchtend, daß es Unsinn sei, Schill zu wählen. Da steht "Schluß mit dem Unsinn" und dann darunter "Schill". Und wenn man seine Wahlprospekte sieht, hat er die Inhalte weitgehend von uns abgekupfert, so daß es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit ist, bis er in irgendeinem der Verfassungsschutzberichte auftauchen wird, egal, ob er nun Innensenator in Hamburg ist oder nicht.

Bei ihren Wahlplakaten fällt auf, daß viele Aussagen auf den Protest abzielen. Wie wollen sie verhindern, daß Wähler ihre Protesthaltung dadurch ausdrücken, daß sie erst gar nicht zur Wahl gehen?

Schlierer: Es gibt sicher einen Teil von Protestwählern, die im Laufe der Zeit zu Nichtwählern geworden sind, weil sich durch Protestwahl natürlich nicht sofort alles ändert. Aber auch diese Nichtwähler werden nach einer Weile unzufrieden sein, denn sie sind aus ihrer Nichtwählerhaltung heraus außerdem nicht in der Lage, etwas zu verändern. Deswegen glaube ich, daß es sehr wohl möglich ist, Protestwähler aufgrund ganz konkreter Mißstände zu reaktivieren. Das ist ein Konzept, das wir verfolgen. Wir machen nicht Wahlwerbung für Protest ganz allgemein, sondern wir beziehen das auf konkrete Themen.

Die Republikaner haben in der Darstellung im Wahlkampf und auch im Internet ihr Konzept umgestaltet. Die neuen Botschaften erinnern ein wenig an einen Westerwelle-Wahlkampf. Glauben Sie, daß damit die Republikaner ihr Klientel besonders ansprechen werden?

Schlierer: Also zunächst einmal erinnert das mit Sicherheit nicht an Herrn Westerwelle, wir fahren auch nicht mit dem Guidomobil durch die Gegend und hüpfen auch nicht irgendwo mit dem Fallschirm herunter. Wir haben die Linie, die wir auch schon in den letzten Jahren - gerade in bezug auf die Internetauftritte - verfolgt haben, weiterentwickelt. Wir sprechen damit - das zeigt jetzt schon die Resonanz im Wahlkampf - sehr viele Jungwähler an. Die Jungwähler waren schon immer bei uns die mit Abstand größte Wählergruppe, und wir werden uns natürlich auch künftig um diese Gruppe bemühen.

Ebenfalls am Sonntag finden in Mecklenburg-Vorpommern Landtagswahlen statt. Wieso treten Sie bei dieser Wahl nicht an?

Schlierer: Mecklenburg-Vorpommern ist sicherlich einer unserer schwachen Landesverbände. Wir haben in den vergangenen Jahren versucht, dort sehr behutsam Strukturen aufzubauen, weil wir auch vermeiden wollten, in diesem Bereich - also im regionalen Bereich - in irgendeiner Weise mit Kräften in Verbindung zu kommen, die mit Sicherheit das Ansehen unserer Partei beschädigen würden.

Wie ordnen Sie ein mögliches Scheitern bei der Bundestagswahl ein - wenn Sie es nicht über die Fünf-Prozent -Hürde schaffen oder sogar unter einem Prozent bleiben? Wie wollen Sie dann die Parteimitglieder nach den vorangegangenen frustrierenden Niederlagen - gerade in Baden-Württemberg - davor bewahren, völlig zu resignieren?

Schlierer: Erfreulicherweise hat es bei uns in der Partei Resignation bisher nicht gegeben. Es hat sicherlich manche Frage gegeben, ob man nicht in den Wahlkämpfen manches hätte anders machen sollen. Aber jeder von uns weiß, daß wir hier nicht ausschließlich wegen kurzfristiger Wahlerfolge unterwegs sind, sondern daß wir in der gesamten Parteigeschichte schon immer ein Auf und Ab hatten. Situationen wie jetzt haben wir Anfang der neunziger Jahre auch schon gehabt. Wir wissen ganz genau, daß wir irgendwann einen Erfolg haben, den wir auch halten können, wenn wir von unten nach oben aufbauen. Deswegen war für mich auch von jeher das Ergebnis bei nationalen Wahlen nicht das Entscheidende, sondern der Versuch, von den Kommunalwahlen über die Landtagswahlen von unten nach oben aufzubauen. Deswegen ist in der Tat das wirklich Mißliche das Wahlergebnis im Frühjahr 2001 gewesen. Und diese Scharte müssen wir auswetzen. Darauf richten sich vor allen Dingen meine Bemühungen.

Viele Parteimitglieder haben Ihnen seither den Rücken gekehrt. Wie wollen Sie da Strukturen aufbauen?

Schlierer: Die Mitgliederzahl stagniert derzeit, wobei es allerdings so ist, daß wir noch bis in die letzte Zeit hinein in einzelnen Verbänden zur Kostenreduzierung die Karteileichen entfernt haben, so daß man also sagen kann, de facto hat sich das nicht groß verändert. Interessant sind die regionalen Unterschiede, es gibt durchaus Verbände, die nach wie vor eine positive Entwicklung haben. Das gilt gerade beispielsweise für Sachsen. Es mag derzeit in Baden-Württemberg keine positive Mitgliederentwicklung geben, aber da muß man eben auch den Blick über eine längere Zeitachse sehen. Da zeigt sich, daß es immer Schwankungen geben wird, Schwankungen gegeben hat und daß dies selbst nach den Entwicklungen der letzten Jahre noch lange nicht heißt, daß das Projekt deswegen gescheitert wäre.

 

Dr. Rolf Schlierer, Jahrgang 1955, ist von Beruf Rechtsanwalt und seit 1994 Bundesvorsitzender der Republikaner. Von 1992 bis 2001 war er Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg.


 
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