© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/02 20. September 2002

 
Die Regierung ist nur im Westen populär
Slowakei: Der Ausgang der Parlamentswahlen ist völlig unklar / Rückkehr von Ex-Premier Meciar soll verhindert werden
Gustaf Domberg

Ganz gleich, wer in der Slowakei bei den Parlamentswahlen am 20. und 21. September als Sieger hervorgeht: sicher ist, daß der Westen, das heißt EU und Nato, sich in den Wahlkampf der Karpatenrepublik ungeniert eingemischt haben. Äußerungen etwa des Nato-Generalsekretärs Lord Robertson, die Slowaken sollten "richtig" wählen, sprechen für sich.

Es geht nämlich darum, daß sich die Slowakei für die Aufnahme in die Nato und die EU qualifizieren soll - und das ist nur dann möglich, wenn der Chef der bis jetzt immer noch stärksten Partei, der "Populist" Vladimír Meciar von einer Rückkehr an die Macht (der "Volkstribun" war bis 1998 Premier) ferngehalten wird. Das gilt auch für seine Partei, die Bewegung für eine Demokratische Slowakei (HZDS), die gemeinhin als "linksnationalistisch" bezeichnet wird. Auch mit ihr möchte der Westen nicht zusammenarbeiten.

Die Meciar-Partei konnte noch bis in den Sommer bei Umfragen konstant 25 Prozent erzielen. Erst in der Endphase des Wahlkampfes sackte sie auf 20 und neuerdings sogar auf 16 Prozent ab. Entscheidend war dabei die Abspaltung einer Gruppe um den langjährigen slowakischen Parlamentspräsidenten Ivan Gasparovic, die mit Meciars HZDS fast namensgleiche Bewegung für Demokratie (HZD), die sofort auf über 5 Prozent gelangte und Meciar ein Fünftel seiner bisherigen Stimmen wegnahm. Die Neugründung könnte ein Auffangbecken für jene Meciar-Wähler werden, die es sich mit dem Westen nicht verderben wollen.

Im übrigen steht die slowakische Wahl mit oder ohne Meciar im Zeichen des Populismus. Wie ein Komet hat sich Róbert Fico, 38jähriger Jurist und Ex-Kommunist, mit seiner linkspopulistischen, noch außerparlamentarischen Partei "Smer" (Richtung) hochkatapultiert: Fico liegt mit seiner Partei inzwischen bei 17 Prozent. Er attackiert sowohl Meciar wie die seiner Meinung nach unfähige Mitte-Links-Koalition des Ministerpräsidenten Mikulas Dzurinda. Die regierende SDK (Slowakische Demokratische Koalition), bestehend u. a. aus der Christlich-Demokratischen Bewegung und den Liberalen, hat laut Umfragen schwere Verluste zu befürchten: sie ist von 26,3 auf 9,6 Prozent abgesunken.

Was für eine Koalition in Zukunft das Land regieren und den Beitritt in EU und Nato verwirklichen wird, läßt sich schwer abschätzen. Ob der künftige Regierungschef wieder Dzurinda heißen wird, ist zweifelhaft. Die jetzige Regierung, der vom Westen bescheinigt wird, gute Arbeit bei der Konditionierung des Landes für Nato und EU geleistet zu haben, ist zwar bei westlichen Medien und Politikern populär, nicht so sehr aber bei der eigenen Bevölkerung.

Die Slowakei hat eine Arbeitslosenrate von 18 Prozent - im östlichen Landesteil bis zu 30 Prozent. Zwischen der Hauptstadt Preßburg (Bratislava) und dem Landesinneren herrschen große ökonomische Gegensätze. Das Bild, das sich am Vorabend der Wahlen bietet, ist diffus: neue Parteigründungen prägen das Bild. Auch die "Partei der Nichtwähler" wird ihre Rolle spielen: ein Drittel der Wahlberechtigten wird laut Umfragen den Urnen fernbleiben. Aufsehen hat ein Wahl-Hirtenbrief des katholischen Erzbischofs der Diözese Preßburg-Tyrnau, Ján Sokol, verursacht. Er forderte die Slowaken auf, nur christlichen Kandidaten die Stimme zu geben und warnte vor dem Fernseh-Magnaten Pavol Rusko und seiner linksliberalen ANO-Partei (Allianz des neuen Bürgers). Diese, so der Erzbischof, "verderbe durch ihre (privaten) Fernsehsender die Moral der Jugend".

Insgesamt bietet die Slowakei auch über ein Jahrzehnt nach der "samtenen Revolution" das Bild einer unvollendeten Demokratie. So "gefährlich" man einen Demagogen wie Meciar einschätzen mag - die offene Einmischung des Westens könnte auf lange Sicht die Probleme eher verschärfen als lösen.


 
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