© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/02 20. September 2002

 
Blick in die Medien
Promi-Test
Ronald Gläser

Die Bild-Zeitung hat 100 Prominente befragt, wem sie am 22. September ihre Stimme geben. Wen interessiert schon das Wahlverhalten von Schauspielern oder Starfrisören? Spektakuläre Erkenntnisse sind bei einer Berufsgruppe, die man früher als Salonbolschewisten bezeichnet hat, nicht zu erwarten. Erst als das Sat1-Frühstückfernsehen das Thema aufgriff, wurde es interessant. Eine sogenannte Prominenten-Expertin analysiert die Bekenntnisse von Wahlberechtigten wie Nena oder Ottfried Fischer. Die meisten der Befragten hätten sich erst kurzfristig zur SPD bekannt, weil diese in den Umfragen zugelegt habe. Man könne dadurch, so die Klatschreporterin, seine Chancen auf eine Einladung zu einer Party ins Kanzleramt erhöhen. Soso. Unsere Unterstellung, der linksliberale Klüngel stimme wegen seiner gutmenschlichen Haltung für Rot/Grün, war also noch nicht niedrig genug. Für eine Einladung zu einer Party sind Möchtegernkünstler bereit, ihre wahren Überzeugungen über Bord zu werfen. Hier tun sich charakterliche Abgründe auf. Manche prominente Wähler von Schwarz/Gelb wirken dagegen senil. Klaus-Jürgen Wussow zum Beispiel wählt CDU, weil er seit vierzig Jahren CDU wählt. Andere bürgerliche Stars hoffen, daß "sich etwas Grundlegendes ändert." Besonders mutig findet Sat1 übrigens, daß sich auch ein, zwei Seifenoperndarsteller gefunden haben, die zugeben, PDS zu wählen. Da gehört natürlich viel Mut dazu, weil die PDS so fürchterlich ausgegrenzt wird... Hoffentlich ändert sich etwas Grundlegendes in diesem Land nach dem 22. September.


 
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