© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/02 27. September 2002

 
Der Kater danach
Bundestagswahl I: Für die rechten Parteien endete der Urnengang in einem Desaster
Dominik Schon / Peter Freitag

Die rechtsgerichteten Parteien sind bei der Bundestagswahl wieder dort angekommen, wo sie hingehören: in der politischen Bedeutungslosigkeit", so der Spiegel zum Abschneiden von Schill-Partei, Republikanern und NPD. In der Tat gelang es keiner der drei Parteien, über ein Prozent der Stimmen zu gewinnen. Konnten konservative und nationale Parteien bei der letzten Bundestagswahl 1998 insgesamt noch etwa 3,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, waren es bei der jetzigen Bundestagswahl nur noch 1,8 Prozent. Nicht mehr zur Wahl stellten sich allerdings die Deutsche Volksunion (DVU) und der Bund Freier Bürger, neu hinzu kam die Partei Rechtsstaatlicher Offensive des Hamburger Innensenators Ronald Schill.

Ernüchternd muß das Wahlergebnis im besonderen für die Republikaner gewesen sein. Die Partei verlor gegenüber der letzten Bundestagswahl 1,3 Prozent und landete bei einem mageren Ergebnis von gerade einmal 0,6 Prozent. Als einziges Trostpflaster bleibten den Republikanern die Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Immerhin etwa 950.000 Euro erhält die Partei in den nächsten vier Jahren, weit weniger jedoch als zuvor.

Auch die NPD kann wohl nicht ganz zufrieden sein, verpaßte sie doch mit 0,45 Prozent der Stimmen die wichtige Hürde der Wahlkampfkostenerstattung (0,5%). Im Gegensatz zu den Republikanern konnte die NPD ihr Ergebnis jedoch verbessern. Im Vergleich zur letzten Bundestagswahl bedeutet das NPD-Ergebnis beinahe eine Verdoppelung der Stimmenzahl, allerdings auf niedrigem Niveau. In Anbetracht des Stimmenzugewinns zeigte sich der Parteivorsitzende der NPD, Udo Voigt, zufrieden und verwies auf die Achtungserfolge in Sachsen und Brandenburg, wo die Partei 1,4 Prozent bzw. 1,5 Prozent der Stimmen erhielt.

Nicht aufgegangen ist die Strategie der Republikaner, erneut Protestwähler zu mobilisieren. Selbst in ihrer langjährigen Hochburg Baden-Württemberg konnte die Partei gerade einmal 1,1 Prozent der Stimmen gewinnen. Zur Erklärung des schlechten Abschneidens führen die Republikaner vor allem die Polarisierung des Wahlkampfes zwischen Stoiber und Schröder an. Tatsächlich sieht auch der Berliner Wahlforscher Richard Stöss darin die Hauptursache für den Niedergang rechter Parteien.

Schlierer Abgabe des Parteivorsitzes nahegelegt

"Die Zeit für Protest ist noch lange nicht vorbei", verteidigt der Parteivorsitzende Rolf Schlierer unbeirrt den Kurs seiner Partei. Zum weiteren Vorgehen der Partei teilte die Pressestelle der JUNGEN FREIHEIT mit, daß man nun verstärkt versuchen wolle, Schwerpunkte zu setzen, etwa bei der Landtagswahl in Bayern im nächsten Jahr. Ob der Parteivorsitzende der Republikaner dann immer noch Schlierer heißen wird, ist dabei die große Frage. Der geschäftsführende Landesvorsitzende der Partei in Baden-Württemberg, Karl August Schaal, sagte gegenüber JUNGEN FREIHEIT, daß er bei allen Verdiensten von Rolf Schlierer befürworten würde, wenn dieser einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für seinen Posten empfehlen würde.

Nach dem für alle beteiligten Parteien schlechten Abschneiden stellt sich erneut die Frage von Wahlbündnissen und Wahlabsprachen. So spricht sich beispielsweise die Parteiführung der NPD in einer Pressemitteilung dafür aus, daß in der Zukunft konkurrierende Wahlantritte verhindert werden sollten. An die Führung von Republikanern und DVU gerichtet heißt es, daß es gelte, "Abgrenzungen der Vergangenheit zu überwinden und in der Zukunft verstärkt den Schulterschluß aller Deutschen, die es noch sein wollen, zu suchen."

Ein weiterer großer Verlierer der Wahl ist die Schill-Partei. Selbst wenn niemand ernsthaft mit dem Einzug in den Bundestag gerechnet hatte, wünschte man sich doch ein Ergebnis von mehreren Prozent, das der Partei Rechtsstaatlicher Offensive zu mehr bundesweiter Aufmerksamkeit verholfen hätte - doch auch das blieb aus. Trotz des verfehlten Wahlziels sprach der Parteigründer und Vorsitzende Ronald Schill von einem "Achtungserfolg für den unermüdlichen Einsatz unserer Mitglieder". Trotz fehlender Mittel sei gut gekämpft worden, so daß die Partei "ein besseres Ergebnis verdient hätte", so der zweite Bürgermeister Hamburgs. Auch im Ergebnis der Partei bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern sah Schill einen Achtungserfolg, obwohl der Einzug in den Schweriner Landtag nicht gelang. Der gesamte Wahlkampf dort sei von "bundespolitischen Debatten überdeckt" worden. Außerdem hätten die Wähler aus taktischen Gründen zur Verhinderung der rot-roten Koalition lieber die CDU gewählt, lautete sein Resümee.

Dirk Weßlau, Wahlkampfkoordinator der Schill-Partei für die neuen Bundesländer, bezeichnete gegenüber der JUNGEN FREIHEIT das Gesamtergebnis der noch jungen Bewegung als enttäuschend. Begründet sei das schlechte Abschneiden durch den sich abzeichnenden Lagerwahlkampf zwischen Union und Rot-Grün, woran auch die "verfälschende Wiedergabe der Meinungsforschungsinstitute" schuld sei. Außerdem habe die Schill-Partei mit oftmals negativer Berichterstattung zu kämpfen gehabt. Die Partei müsse nun darangehen, langfristig tragfähige Strukturen aufzubauen und programmatisch unverwechselbar zu werden, so Weßlau. Der notwendige Konsolidierungsprozeß könne auch dazu führen, daß sich jetzt "die Spreu vom Weizen trennt", indem Querulanten und solche Leute, die nur schnell ein Mandat erlangen wollten, wieder austreten. Mit seinem persönlichen Wahlergebnis konnte der Zahnarzt aus dem brandenburgischen Bernau indes zufrieden sein, da er als Direktkandidat in seinem Wahlkreis drei Prozent Zustimmung erhielt, was sicher auch mit der regionalen Bekanntheit des Kandidaten zusammenhing.

Enttäuschung bei der Schill-Partei

Ernüchtert ob des schlechten Abschneidens der Schill-Partei zeigte sich auch der niedersächsische Spitzenkandidat Klaus Veuskens im Gespräch mit der jungen freiheit: "Offensichtlich haben die Wähler nicht in ausreichendem Maße erkannt, in welch hoffnungsloser Situation sich unser Land befindet". Auch habe man den Bedarf an einer neuen Mitte-Rechts-Partei offensichtlich nicht ausreichend gewürdigt, so Veuskens, der in seinem Wahlkreis Hildesheim immerhin einen Anfangserfolg von zwei Prozent Wählerzustimmung einfahren konnte. Die Enttäuschung sei um so größer, da während seiner Wahlkampfrundreise durch Niedersachsen die seiner Partei entgegengebrachte Stimmung grundsätzlich sehr viel positiver gewesen wäre und ein besseres Ergebnis verheißen habe.

Offenbar aus Sorge um möglicherweise verschenkte Stimmen sei ein großer Teil der Bürgerlichen dann doch bei der Union oder gar zu Hause geblieben. Nicht ohne Verbitterung kommentiert Veuskens die Lage in Niedersachsen, wo abermals der Versuch scheiterte, einen Landesverband zu gründen: "Hier ist die Schill-Partei satzungsbedingt in eine selbstgestellte Falle getappt." Gerade nach dem Mißerfolg bei der Wahl bliebe nur ein harter Kern Engagierter übrig, das Quorum von 25 Prozent anwesender Mitglieder sei in Zukunft noch unwahrscheinlicher. "Hier hat uns auch der Bundesverband im Stich gelassen", so Veuskens verbittert. Eine Teilnahme an den Landtagswahlen stehe noch in den Sternen, da immer noch keine festen Strukturen bestünden. "Dafür bräuchten wir jetzt erstmal ein Jahr Ruhe." Für eine Landtagskandidatur steht der Hildesheimer Kaufmann, der große Teile des Wahlkampfs aus eigener Tasche bestritten hat, nicht zur Verfügung. Dennoch verbleibt Veuskens nicht ganz hoffnungslos: "Obwohl uns das 0,8 Prozent-Ergebnis die Füße weggezogen hat, halte ich das Projekt Schill-Partei nicht für gescheitert!"


 
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