© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/02 27. September 2002

 
Knappe Mehrheit für EU- und Nato-Beitritt
Slowakei: Bürgerliche Mitte bei Wahlen stabil / Meciar-Partei weiter stärkste Kraft / Altkommunisten erstmals im Parlament
Alexander Barti / Jörg Fischer

Es gehört eigentlich nicht zu den Gepflogenheiten ausländischer Diplo-maten, daß sie sich in einen Wahlkampf einmischen - in den ostmitteleuropäischen Ländern scheint diese Regel außer Kraft zu sein. Bei den ungarischen Wahlen im Frühjahr 2002 hatte es aus der US-Botschaft "nur" dezente Signale für das richtige Kreuzchen (sprich: Hauptsache nicht "rechtsnational") gegeben, aber im Vorfeld zu den Parlamentswahlen in der Slowakei sagten die Vertreter des Westens ganz deutlich, daß es mit Ex-Premier Vladimír Meciar keine Chance für einen Beitritt zur Nato und zur EU gäbe. Doch die "Hinweise" wurden nicht von allen beachtet.

Die von Meciar geführte linksnationale Bewegung für eine Demokratische Slowakei (HZDS) bleibt mit 19,5 Prozent und 36 Sitzen im 150köpfigen Parlament stärkste politische Kraft - trotz Verlusten von 7,5 Prozent und der Abspaltung der Partei für Demokratie (HZD) des HZDS-Vize und Ex-Parlamentsvorsitzenden Ivan Gasparovic, die mit 3,3 Prozent unter der Fünf-prozent-Hürde blieb.

Mit 15,1 Prozent und 28 Abgeordneten schnitt die - von EU-Partnern unterstützte - bürgerliche Demokratische und Christliche Union (SDKÚ) des amtierenden Ministerpräsidenten Mikulás Dzurinda zwar bedeutend besser ab, als von den Demoskopen vorausgesagt. Doch vor vier Jahren erhielt Dzurindas damalige Partei Slowakische Demokratische Koalition (SDK) immerhin noch 26,3 Prozent.

Drittstärkste Kraft mit 13,5 Prozent (25 Sitze) wurde die erst vor zwei Jahren gegründete Partei Smer (Richtung) von Róbert Fico, der sich schon als Sieger der Wahlen sah. Der von den Medien hofierte 38jährige Hoffnungsträger einer modernen Linken begann seine Politkarriere im Justizministerium der CSSR in der Tschechoslowakischen KP. Nach der Wende 1990 wurde der Jurist Mitglied der KP-Nachfolgeorganisation Partei der demokratischen Linken (SDL) und gelangte mit ihr 1992 in das - damals noch tschechoslowakische - Parlament in Prag. Ab 1994, inzwischen hatten sich Tschechen und Slowaken getrennt, arbeitete Fico am Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte, bis er 1999 die - mit Dzurinda regierenden - Reformkommunisten verließ und seine eigene Partei Smer gründete. Vorbilder seiner Partei waren die britische Labour-Partei und die Schrödersche SPD. Fico stand für einen raschen EU- und Nato-Beitritt, er wollte den von Dzurinda begonnenen Atomausstieg verhindern. Außerdem sollte jeder "Neureiche" nachweisen, wie er zu seinem Vermögen gekommen sei. Eingerahmt wurden seine Losungen von schwammigen Forderungen nach "sozialer Gerechtigkeit" und Reminiszenzen an "alte Zeiten": "Die Menschen haben gearbeitet und geschuftet. Smer wird alles ehren, was die Menschen bis zum Jahr 1989 geschafft haben."

Ungewöhnlich für einen "Linken" profilierte Fico sich mit der Forderung nach "poriadok" - Recht und Ordnung. Er kritisierte auch scharf die schätzungsweise eine halbe Million unfassende Zigeuner-Minderheit im Lande. Gegen die Roma, die gelegentlich Kartoffeln von den Feldern stehlen, müßten sich die Bauern sogar mit Waffen verteidigen dürfen. Der Kinderreichtum der Roma-Familien soll durch Kürzung des Kindergeldes eindämmt werden. Kritik aus EU-Ländern wies er in einem Deutschlandfunk-Gepräch zurück: "Wenn es in einem Land nur 30 Roma gibt, die als Teil der Folklore gepflegt werden, dann kann dieses Land uns keine Lehren erteilen, was wir mit den Roma machen sollen. Tatsache ist: Wenn wir zehn weitere Jahre ein solches Wachstum der Roma-Population zulassen, dann wird es hier eine Million Roma geben, die völlig auf das Sozialsystem des Staates angewiesen sind."

Doch Fico wird nicht gebraucht, denn Dzurindas Partner verhelfen ihm weiter zur Regierungsmehrheit. Als seit Jahren einzig stabile und viertstärkste Kraft konnte die Partei der Ungarischen Koalition (MKP/SMK) 11,2 Prozent und so 20 Mandate erreichen. Damit konnte die von Béla Bugár geführte Partei fünf zusätzliche Mandate gewinnen. Eine Rolle dürfte dabei Graf Pál Csáky gespielt haben, der als führendes MKP-Mitglied für die Minderheitenpolitik zuständig war und als Stellvertreter von Staatspräsident Rudolf Schuster (einem Karpatendeutschen) viel Sympathie genoß.

Zwei weitere bürgerliche Parteien, die Christdemokratische Bewegung (KDH, 8,3 Prozent, 15 Sitze) und die wirtschaftsliberale Allianz des neuen Bürgers (ANO, 8,1 Prozent, 15 Sitze) von Medienunternehmer Pavol Rusko konnten ebenfalls die Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Damit kann Dzurinda seine Regierungsarbeit rein rechnerisch fortführen, denn mit der MKP, KDH und ANO hätte er 78 Sitze.

Das populistische "Schmuddelkind" Meciar dürfte sich kaum mit Fico zusammenraufen, aber selbst dann kämen sie nur auf 61 Sitze. Schuld daran sind die Altkommunisten: Daß auch die orthodoxe KSS des 56jährigen Jozef Sevc mit 6,3 Prozent und 11 Sitzen erstmals in das Preßburger Parlament einziehen kann, dürfte ein deutliches Signal dafür sein, daß es ein wachsendes antiwestliches Potential in der Bevölkerung gibt.

Und selbst ein unvorstellbares Meciar-Fico-KSS-Bündnis käme nur auf 72 Sitze - zu wenig, um regieren zu können. Die potentiellen Partner Meciars, die bisher im Parlament mit 9,1 Prozent vertretene rechtsnationale Slowakische Nationalpartei (SNS) unter der Führung der attraktiven 42jährigen Lehrerin Anna Malíková und die abgespaltene "Wahre SNS" (PSNS) des 42jährigen Verbalrabauken Ján Slota nahmen sich gegenseitig so viele Stimmen weg, daß beide unter vier Prozent blieben.

Auch Ficos Ex-Partei, die bislang mit 14,7 Prozent dritte Kraft war und Dzurindas Regierung mittrug, die reformkommunistische SDL, scheiterte mit 1,4 Prozent, die abgesplitterte Sozialdemokratische Alternative mit 1,8 Prozent der Stimmen. Der Weg in Nato und EU dürfte mit dem bürgerlichen Wahlsieg nun zu schaffen sein.


 
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